Weitgereiste Tote: Zumindest einige der Erbauer von Stonehenge waren keine Einheimischen, sondern kamen aus Wales. Das enthüllen eingeäscherte Überreste von 25 Toten, die vor rund 5.000 Jahren in Stonehenge bestattet worden waren. Zehn von ihnen stammten aus der gleichen walisischen Gegend wie die Blausteine des Steinkreises – sie könnten die Megalithen demnach auf ihrer Reise zum Steinzeit-Heiligtum begleitet haben, wie die Forscher im Fachmagazin „Scientific Reports“ berichten.
Stonehenge in Südwesten Englands ist das berühmteste und besterforschte Megalith-Bauwerk Europas. So weiß man heute, dass die 80 Tonnen schweren Blausteine des äußeren Megalith-Rings aus dem Westen von Wales herangeschafft wurden. Erst vor kurzem haben Archäologen in der Umgebung des Steinkreises zudem weitere Monumente und eine zweite, noch größere Kreisanlage entdeckt.
Stonehenge als Grabstätte
Eine Frage aber blieb bisher offen: „Trotz mehr als einem Jahrhundert intensiver Forschung wissen wir nur sehr wenig über die Menschen, die in Stonehenge begraben wurden“, erklären Christophe Snoeck von der Freien Universität Brüssel und sein Team. Denn was viele nicht wissen: Der Megalith-Steinkreis war nicht nur ein ritueller Ort, er wurde vor rund 5.000 Jahren auch als Begräbnisstätte genutzt.
„Schon in den 1920er Jahren hat man die verbrannten Überreste von bis zu 58 Personen dort entdeckt“, berichten die Forscher. „Das macht Stonehenge zu einem der größten neolithischen Grabstätten Großbritanniens.“ Gefunden wurden die Knochenfragmente und Aschen in den sogenannten Aubrey Holes, einem Kreis von 56 Löchern, in denen erst Holzpfosten, später dann die Blausteine aufgestellt waren.
Strontium-Isotope verraten Herkunft
Doch wer in diesem Steinzeit-Heiligtum bestattet wurde und woher diese Menschen kamen, blieb bisher verborgen. Denn die Einäscherung der Toten hatte fast alle biologischen Hinweise vernichtet. Snoeck und sein Team haben deshalb nun die Physik zu Hilfe genommen: Sie analysierten das Verhältnis von Strontium-Isotopen in Knochenfragmenten von 25 dieser Toten und konnten so Einblick in deren Herkunft gewinnen.
Die Strontium-Isotope verraten, aus welcher Gegend die Nahrung stammt, die eine Person in den letzten rund zehn Jahren ihres Lebens gegessen hat. Weil auch Pflanzen die Strontiumsignatur ihrer Umgebung in ihren Geweben speichern, ließ sich an den Werten sogar ablesen, woher das Holz für die Einäscherung der Toten stammte.
Von weither gekommen
Das überraschende Ergebnis: Mindestens zehn der 25 Toten waren keine Einheimischen – sie stammten nicht aus der Gegend um Stonehenge. Stattdessen entsprach die Isotopensignatur ihrer Knochen den Strontiumwerten, die für den Westen von Wales typisch sind – dem Gebiet, aus dem auch die Blausteine von Stonehenge stammen. Bis kurz vor ihrem Tod müssen diese Menschen in dieser mehr als 200 Kilometer von Stonehenge entfernten Region gelebt haben.
„Das deutet darauf hin, dass die Menschen aus den walisischen Preseli-Bergen nicht nur die Blausteine herstellten, sondern dass sie die Steine auch nach Stonehenge begleiteten und schließlich dort begraben wurden“, sagt Koautor John Pouncett von der University of Oxford. Es könnte sich bei den Toten demnach um einige der Erbauer des Steinkreises handeln.
In Wales eingeäschert und mitgebracht
Spannend auch: Einige dieser walisischen Toten wurden offenbar nicht in Stonehenge eingeäschert. Denn auch die Strontiumwerte der mit ihren Überresten vermengten Holzasche weichen von den lokalen Werten ab. Auch sie entsprechen eher Holz, das in Wales gewachsen ist. „Das spricht dafür, dass damals die eingeäscherten Überreste dieser Menschen eigens für die Bestattung nach Stonehenge gebracht wurden“, sagen die Forscher.
Warum das geschah, ist bisher unbekannt. Denkbar wäre aber, dass es sich um Personen handelte, die eine wichtige Rolle bei der Herstellung der Blausteine spielten, aber vielleicht deren Transport nicht mehr erlebten. Um ihnen dennoch die hohe Ehre einer Bestattung im Heiligtum zu erweisen, wurden ihre Asche aus Wales mitgebracht und dann in Stonehenge beigesetzt. Bisher ist dieses Szenario allerdings reine Spekulation.
Klar ist dagegen dies: „Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung überregionaler Verbindungen für die Konstruktion und Nutzung von Stonehenge, für die sowohl Material als auch Menschen über weite Strecken bewegt wurden“, konstatieren die Forscher. (Scientific Reports, 2018; doi: 10.1038/s41598-018-28969-8)
(University of Oxford, 03.08.2018 – NPO)