Befreiungsschlag: Die berühmte Schlacht von Clontarf im Jahr 1014 war tatsächlich ein Kampf der Iren gegen die Wikinger – und kein irlandinterner Konflikt, wie einige Historiker postulieren. Indizien dafür haben Forscher nun mit einer ungewöhnlichen Methode gefunden: Sie analysierten einen mittelalterlichen Bericht über diese Schlacht mithilfe der Netzwerkanalyse. Diese bestätigte, dass der Hauptkonflikt zwischen Wikingern und Iren bestand, wenngleich es auch zwischen den Iren Fehden gab.
Etwa ab dem Jahr 850 waren große Teile der irischen Küstengebiete in der Hand der Wikinger. Die „Nordmänner“ besetzten die Küstenorte und machten das von ihnen gegründete Dublin zur Hauptstadt ihres irischen Königreichs. Doch die Iren wehrten sich. Ihr Widerstand fand – der Überlieferung nach – seinen Höhepunkt im Jahr 1014 in der Schlacht von Clontarf. In dieser soll eine irische Armee unter ihrem Anführer Brian Boru gegen die Wikinger angetreten sein und diese besiegt haben.
Die große Schlacht
„Dieser Sieg gilt traditionell als das Ereignis, das die Macht der Wikinger in Irland brach und ihren Niedergang nach rund 200 Jahren der Besatzung einleitete“, erklären Joseph Yose von der Coventry University und seine Kollegen. „Jedes Kind in Irland bekommt die Geschichte dieser Schlacht beigebracht – es gilt als Meilenstein unserer Geschichte.“
Doch diese Sicht ist seit mindestens 250 Jahren stark umstritten: Einige Historiker halten die berühmte Schlacht eher für einen internen Konflikt – einen Kampf verschiedener irischer Fraktionen um die Vorherrschaft. Die Schlacht habe sich größtenteils zwischen Iren aus Munster und Leinster abgespielt. Die Wikinger, so ihre These, spielten dagegen in Clontarf nur eine geringe Rolle.
Manuskript mit Makeln
Das Problem dabei: Über die Ereignisse vor und während der großen Schlacht von Clontarf gibt es keine objektiven Zeugnisse. Zwar berichtet das sogenannte „Cogadh Gaedhel re Gallaibh“ ausführlich über die Wikingerzeit in Irland und die Schlacht. Doch dieses mittelalterliche Werk enthält neben detaillierten Schilderungen von Bündnissen und Fehden auch Passagen, die eindeutig Propaganda für Brian Boru und seine Nachkommen machen.
Hinzu kommt: Die schiere Menge der im Manuskript genannten Personen macht es schwer, den Durchblick zu behalten. An diesem Punkt setzen Yose und seine Kollegen mit einer ungewöhnlichen Idee an: Sie haben die Beziehungen der im „Cogadh“ genannten Personen mittels Netzwerkanalyse untersucht – einem Werkzeug, das sonst beispielsweise zur Analyse von Beziehungen in sozialen Medien eingesetzt wird.
„Unabsichtliche Botschaft“
„Der mittelalterliche Autor des Textes hat sicher nicht über soziale Netzwerke nachgedacht, aber indem er hunderte von Personen mit tausenden von Beziehungen zwischen ihnen beschrieb, machte er sie zu einem Teil seiner Erzählung“, erklärt Yoses Kollege Ralph Kenna. „Deshalb kann die Netzwerkanalyse einzigartige neue Einblicke liefern: Sie extrahiert eine unabsichtlich enthaltene Botschaft.“
Konkret werteten die Forscher die Beziehungen von 315 im „Cogadh“ genannten Personen aus. Sie analysierten dabei sowohl welcher Gruppe – Iren oder Wikinger – die Person selbst angehörte als auch die Zugehörigkeit der jeweiligen Gegenüber und ob die Beziehung beider positiv oder negativ war.
Primär ein Kampf gegen die Wikinger
Das Ergebnis: Unter den negativen Interaktionen – Fehden, Kämpfen oder Feindschaften – dominieren klar Konflikte zwischen Wikingern und Iren. Sie machen 62 Prozent der negativen Beziehungen im Netzwerk aus, wie die Forscher berichten. Innerirische Fehden werden zwar auch beschrieben, machen aber nur 27 Prozent der Beziehungen aus.
„Das spricht dafür, dass der größte Teil der im Cogadh beschriebene Konflikte international sind“, konstatieren die Forscher. Die traditionelle Sicht der Schlacht von Clontarf als Kampf der Iren gegen die Wikinger ist damit zumindest in groben Zügen korrekt. Aber: „Es gab durchaus auch signifikante Feindschaften innerhalb der Iren“, betonen Yose und seine Kollegen. Ihre Analyse kann damit den Streit zwischen den Historikerfraktionen zwar nicht komplett beilegen, sie trägt aber zumindest dazu bei, die Fronten „aufzuweichen“. (Royal Society Open Science, 2018; doi: 10.1098/rsos.171024)
(Coventry University, 24.01.2018 – NPO)