Strömungen im Erdkern erzeugen das Magnetfeld der Erde und schützen uns vor Strahlung. Aber genaueres zu diesen Strömungen war bisher nicht bekannt. Jetzt hat ein internationales Forscherteam durch Laborexperimente und Computersimulationen einen neuen Erklärungsansatz zum Strömungsverhalten gefunden, den sie in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature vorstellen.
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Im Fokus der Forschungsarbeit standen die Strömungen im äußeren Erdkern in 2.900 bis 5.100 Kilometern Tiefe. Er besteht im Wesentlichen aus flüssigem Eisen und erzeugt bei Temperaturen über 3.000 Grad Celsius als Dynamo das Erdmagnetfeld. Strömungen im System Erde, zum Beispiel in der Atmosphäre und den Ozeanen, werden geprägt von der Rotation der Erde und durch Konvektion, bei der warmes Material aufsteigt und nach Abkühlung wieder absinkt. Auch die Strömung im Erdkern ist durch Rotation und Konvektion beeinflusst.
Strömungen: geordnet oder turbulent?
Aber zu welchen Anteilen? Dieser Frage gingen Wissenschaftler der Universität Münster gemeinsam mit Kollegen aus den USA jetzt nach. Für ihre Untersuchungen kombinierten sie Laborexperimente, in denen das Geschehen im Inneren der Erde modellhaft nachgestellt wird, mit Computersimulationen. Die Simulationen wurden auf Höchstleistungsrechnern durchgeführt.
„Bisher ging man davon aus, dass die Rotation, die einen stark ordnenden Einfluss auf die Strömung hat, dominant ist“, erklärt Professor Ulrich Hansen von der Arbeitsgruppe Geodynamik, der gemeinsam mit seinem münsterschen Kollegen Stephan Stellmach und Forschern von der Universität
von Kalifornien in Los Angeles an dem Nature-Artikel beteiligt ist. „Ungeordnete turbulente Strömungen entstünden bei dominierender Konvektion.“
Dicke der Grenzschichten entscheidend
Wissenschaftler erwarteten bisher, dass geordnete Strömungen eher in der Lage sind, ein Magnetfeld wie das irdische zu erzeugen. „Stärkt man in einem rotierenden System den Einfluss der Konvektion, etwas durch ansteigende Heizung von unten, so kommt es zu einem Übergang von rotationsdominiertem zu konvektionsdominiertem Verhalten.Der Übergang findet unseren Ergebnissen nach viel früher statt, als nach bisheriger Theorie erwartet“, so Hansen.
Die Forscher stellen nun einen Mechanismus vor, der dieses Phänomen erklärt. Danach bestimmt die relative Dicke der Strömungsgrenzschichten – der thermischen Grenzschicht und der rotationsbestimmten „Ekman“-Grenzschicht – das Verhalten der Strömung. „Überträgt man unsere Ergebnisse auf irdische Verhältnisse, bei denen sich die Strömungsverhältnisse im Laufe der Zeit in unregelmäßigen Abständen ändern, so erhält man folgendes Bild: Derzeit ist die Strömung im Erdkern noch durch Rotation bestimmt. Dadurch ist die Aufrechterhaltung eines ‚geordneten‘ Magnetfeldes, wie es momentan besteht, wahrscheinlich“, so Hansen.
Näher an der Turbulenz als gedacht
Allerdings befindet sich die Strömung im Erdkern näher am Übergang zu turbulenten Strömungsverhältnissen als bisher angenommen, so die Forscher – ähnlich wie Wasser kurz vor dem Siedepunkt, das bei geringer Temperaturerhöhung zu kochen beginnt. Sollten sich die Strömungsverhältnisse ändern, könnte das Magnetfeld der Erde zusammenbrechen oder sich umpolen, wie es im Laufe der Erdgeschichte bereits vielfach vorgekommen ist.
(Universität Münster, 16.01.2009 – NPO)