Überraschend anders: Die Magmakammer unter Supervulkanen widerspricht gängigen Theorien. Denn sie ist weder mit glutflüssiger Schmelze gefüllt noch mit komplett erkalteter Magma. Stattdessen ähnelt ihr Inhalt eher einem Schwamm, wie Gesteinsanalysen nun nahelegen. Ein Teil des Magmas ist dabei kristallisiert und bildet ein Netz aus Poren, in denen flüssiges Magma lagert. Diese Zwitternatur könnte die lange Lebensdauer und die seltenen Ausbrüche solcher Vulkane erklären.
Supervulkane sind verborgene Riesen: Sie ähneln meist kaum den normalen Feuerbergen, sondern verbergen ihre feurige Natur unter einer oft eher unauffälligen Landschaft. Häufig zeugen nur Geysire, Gasaustritte und unterirdische Hitzezonen von ihrer Aktivität, wie beispielsweise beim Yellowstone oder den Campi Flegrei in Italien.
Fest oder flüssig?
Wie es jedoch im Inneren der Supervulkan aussieht und warum sie nach langer Pause wieder ausbrechen, ist bisher erst in Teilen geklärt. So deuten seismische Untersuchungen darauf hin, dass diese Vulkane mindestens zwei Magmakammern besitzen: eine in der oberen Erdkruste und ein oft noch größeres Reservoir in tieferliegenden Krustenbereichen.
Welche Form und Konsistenz die obere Magmakammer jedoch hat, ist bisher strittig. Einige Geologen gehen davon aus, dass dieses Reservoir mit glutflüssigem Magma gefüllt ist. Der Vulkan wäre damit jederzeit ausbruchsbereit. Andere gehen dagegen von einer komplett ausgekühlten und erstarrten oberen Kammer aus. Erst durch einen massiven Wärmezustrom aus dem Erdmantel wird das Magma wieder verflüssigt und eine Eruption wird möglich.
Zirkonkristalle als Zeitzeugen
Doch welche Theorie stimmt? Um das zu klären, hat ein Team um Olivier Bachmann von der ETH Zürich Proben vom Magmagestein des urzeitlichen Supervulkans „Kneeling Nun“ in New Mexico untersucht. Bei einer heftigen Eruption vor rund 34 Millionen Jahren spie der Vulkan enorme Mengen Asche und Lava, die zu teilweise bizarren Tuffsteinformationen erstarrten.
In diesem Gestein sind Zirkon- und Titanitkristalle enthalten, die in ihrer Struktur und Zusammensetzung Hinweise sowohl auf ihre Entstehungstemperatur als auch den Zeitpunkt ihrer Kristallisierung speichern. Durch Analysen und Vergleiche dieser Kristalle konnten die Forscher so den Zustand der Magmakammer unter diesem Supervulkan über eine halbe Million Jahre hinweg rekonstruieren.
Sowohl als auch
Das überraschende Ergebnis: Keine der beiden gängigen Theorien trifft zu. Die Magmakammer unter dem „Kneeling Nun“ ist weder eine kochende Glutsuppe, die jederzeit übersprudeln kann, noch ein komplett erkalteter Gesteinsblock. Stattdessen ist die Magmakammer dieses Supervulkans eine Mischung aus kristalliner Magma und flüssiger Gesteinsschmelze – eine Art Kristallbrei, wie die Forscher berichten.
Den Analysen nach liegen mehr als 40 bis 50 Prozent des Reservoirs in kristalliner Form vor. Diese festen Magmaanteile bilden wahrscheinlich eine schwammartige, poröse Struktur, in deren Poren die flüssige Gesteinsschmelze sitzt. „Das Magma wird hauptsächlich als kristalline Schwammstruktur konserviert. Und sie muss auf jeden Fall durch Wärmezufuhr reaktiviert werden, ehe sie ausbrechen kann“, so Bachmann.
Langsames „Aufladen“ bis zur Eruption
Damit liegt die Wahrheit wahrscheinlich irgendwo zwischen den beiden etablierten Theorien: Der bereits glutflüssige Magmaanteil erklärt, wie Supervulkane wieder aktiv werden können, ohne dass enorme Wärmemengen von unten in die Kruste gepumpt werden müssen. Der kristalline Anteil dagegen sorgt dafür, dass es hunderttausende von Jahren dauern kann, bis ein solcher Vulkan wieder „aufgeladen“ ist und aufs Neue ausbricht.
Den Anstoß für eine neuerliche Eruption gibt dabei wahrscheinlich das zweite, tiefer in der Erdkruste liegende Magmareservoir. Aus ihm strömt heiße Gesteinsschmelze nach oben und trägt so dazu bei, die halberstarrte obere Magmakammer zu schmelzen. Eine ähnliche Mischung aus festen und flüssigen Anteilen findet sich auch unter dem Supervulkan Toba in Indonesien: Bei ihm besteht das Magmareservoir aus pfannkuchenartig übereinander gestapelten Schichten, wie Geologen vor einigen Jahren herausfanden.
Diese neuen Erkenntnisse geben damit mehr Einblick in die inneren Prozesse eines Supervulkans – und sie erklären, warum diese Feuerriesen so selten ausbrechen. „Die Eruption eines Supervulkans ist – zum Glück für uns – in jedem Fall ein sehr seltenes Ereignis“, sagt Bachmann. Wann eine solche Katastrophe bevorsteht, ist allerdings nach wie vor kaum vorherzusagen. (Nature Geoscience,2017; doi: 10.1038/ngeo3020)
(Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich), 06.10.2017 – NPO)