Der Tyrannosaurus rex war eindeutig ein fleischfressender Raubsaurier, doch die meisten seiner engsten Verwandten waren dies nicht. Eine umfassende Vergleichsstudie hat jetzt die Coelurosaurier entgegen bisheriger Annahme als vorwiegend pflanzen- oder allesfressende Dinogruppe entlarvt. Diese jetzt in den „Proceedings of the National Academy of Sciences” veröffentlichte Erkenntnis wirft ein ganz neues Licht auf die Vorfahren der modernen Vögel und ihre Lebensweise.
Herauszufinden, was ein Dinosaurier fraß, ist alles andere als leicht, denn Nahrungs- oder Verdauungsreste sind nur relativ selten erhalten. Paläontologen müssen daher aus der Anatomie der Tiere, beispielsweise aus der Form der Zähne, ihre Schlüsse ziehen. Doch gerade bei den Coelurosauriern finden sich viele uneindeutige Anpassungen, so gibt es beispielsweise auch Arten ganz ohne Zähne. Zu dieser Untergruppe der Theropoden gehören neben Tyrannosaurus rex auch die vogelähnlichen Deinonychosauriden und die heutigen Vögel.
Direkte Belege mit Anatomie abgeglichen
Ein Forscherteam des Field Museum in Chicago hat nun in einer umfangreiche Vergleichsstudie nicht nur die Ernährungsgewohnheiten vieler Dinosaurier aufgedeckt, ihre Ergebnisse krempeln auch die herkömmliche Sicht der Theropoden als ursprünglich fleischfressend um. Für die Studie sammelten die Wissenschaftler zunächst alle verfügbaren eindeutigen Fossildaten zur Nahrung bestimmter Arten, die sie finden konnten. Dazu gehörten Dung, konservierte Relikte des Darminhalts, Bissspuren an Beutetieren unmittelbar in Nachbarschaft zu Theropodenfossilien oder die Präsenz von Magensteinen, die Pflanzenfressern als Verdauungshilfe dienten.
Anschließend führten die Forscher statistische Tests durch um festzustellen, ob die jeweiligen, für immerhin 100 Coelurosaurerarten gesammelten Nahrungsindizien gehäuft mit bestimmten anatomischen Merkmalen zusammen auftraten. „Nachdem wir einmal bestimmte Anpassungen mit den direkten Nahrungsbelegen verknüpft hatten, schauten wir, welche anderen Theropodenarten die gleichen Anpassungen besaßen“, erklärt Lindsay Zanno vom Field Museum. „Dann konnten wir sagen, wer ein Pflanzenfresser war und wer nicht.“
Pflanzenfresser in allen Hauptlinien
Tatsächlich fanden die Forscher fast zwei Dutzend Merkmale, die sich statistisch mit direkten Belegen für eine pflanzenfressende Lebensweise verknüpfen ließen. Eines davon war beispielsweise ein zahnloser Schnabel. Insgesamt zeigte sich, dass 44 Theropodenarten verteilt über sechs Hauptlinien Pflanzen gefressen haben müssen. „Die meisten Theropoden sind eindeutig an einen räuberischen Lebensstil angepasst, aber irgendwo in der Entwicklungslinie zu den Vögel wurden die Raubsaurier weich“, so Zanno.
Raubsaurier eher die Ausnahme als die Regel?
Der gemeinsame Vorfahre der meisten gefiederten Dinosaurier und der modernen Vögel hatte daher vermutlich bereits vor Ausbildung der zahlreichen Varianten der Coelurosaurier seinen Appetit für eine rein fleischliche Nahrung verloren. Nach Ansicht der Wissenschaftler müssen die fleischfressenden Gewohnheiten von Coelurosauriern wie Tyrannosaurus rex und Velociraptor daher eher als die Ausnahme als die Regel gesehen werden.
„Die neuen Ergebnisse bestätigen, was wir schon seit einiger Zeit vermutet haben”, so Zanno. „Es ist Zeit, diese Tiere in einem neuen evolutionären Kontext zu sehen.“ Möglicherweise war es auch erst die Entwicklung der großen Nahrungsvielfalt unter den Coelurosauriern, die dieser Tiergruppe während der Kreidezeit eine so dominierende Stellung unter den Landtieren verschaffte.
(Field Museum, 23.12.2010 – NPO)