Rund 632 Meter Korallenfossilien aus 37 Bohrlöchern unter dem Ozeanboden: dies ist die Bilanz der Tahiti-Expedition im Rahmen des Integrierten Ozean-Bohrprogramm (IODP) Ende letzten Jahres. Diese einzigartigen Proben werden nun von einem internationalen Wissenschaftler-Team an der Universität Bremen untersucht. Erste Analysen belegen, dass die Korallenfunde einen wahren „Schatz“ für die Klimaforscher darstellen. Sie sind scheinbar der bislang genaueste physikalische Nachweis über die Veränderung des Meeresspiegels am Ende der letzten Eiszeit. Darunter befindet sich auch eine vollständige Erfassung der Temperatur- und Salzgehaltsänderungen im südlichen Pazifik.
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Der wissenschaftliche Leiter Gilbert Camoin vom französischen Geowissenschaftsforschungszentrum CEREGE fasste den Erfolg der IODP-Expedition 310 so zusammen: "Tahiti stellt uns einen Datenschatz zur Verfügung, in denen die Meeresspiegeländerungen der etwa 20.000 vergangenen Jahre aufgezeichnet sind. Da Korallen extrem sensibel auf klimatische Veränderungen reagieren, sind wir durch das Öffnen der erbohrten Korallenriffbohrkerne in der Lage, bessere, sehr genaue Daten zum Riffwachstum während des Meeresspiegelanstiegs nach dem Höhepunkt der letzten Eiszeit vor 23.000 Jahren zu erhalten."
Tahiti geologisch einmalig
Camoin erklärt, dass Tahiti aufgrund seiner einzigartigen Geologie und Lage für diese Expedition ausgewählt wurde: als relativ stabile Vulkaninsel versinkt Tahiti gleichmässig mit einer Geschwindigkeit von nur 0,25 mm pro Jahr und befindet sich durch die Position im Südpazifik weit von den zuvor vergletscherten Regionen entfernt. "Tahiti repräsentiert einen Mikrokosmos, in dem sich all das widerspiegelt, was heute global in der Paläoklimatologie geschieht," erklärt er.
Der japanische wissenschaftliche Leiter Yasufumi Iryu von der Universität Tohoku lobt die Qualität der gewonnenen Bohrkerne. "Der längste durchgehende Korallenbohrkern, den wir bergen konnten misst 3,5 Meter," bestätigt er. "Das entspricht etwa 350 Jahre Korallenwachstum." Als lückenlose und zuverlässige Klimadokumente stehen massive Korallenproben mit nur fünf Prozent des erbohrten Materials bei den wissenschaftlichen Forschern hoch im Kurs, da sie Klimaschwankungen aufzeichnen sowie die Häufigkeit und den Umfang klimatischer Unregelmässigkeiten wie beispielsweise El Niño im Detail
widerspiegeln."
Aufschluss über das Paläoklima
"Unser Ziel hochauflösende Paläoklimadokumente zu gewinnen, wurde voll erreicht," erklärt Camoin. "Bei der Untersuchung der massiven Korallenkerne aus 40 bis 120 Metern unter dem Meeresspiegel identifizieren wir jeweils einen Zentimeter breite Paare von hellen und dunklen Bändern , die jeweils einem Jahr Wachstum entsprechen." Camoin zufolge zeichnen Korallenfossilien Altersinformationen in ihren Furchen auf. "Mithilfe von radiometrischen Methoden können wir das Alter eines Korallenfossils mit einer Abweichung von 30 Jahren bestimmen."
Iryu, Spezialist für El Niño-Anomalien stimmt zu, dass die Informationen zu Altern und Wassertiefen von den Korallenriffbohrkernen einfach, aber wichtig sind. Er bestätigt ausserdem: "Wir haben lebende Mikroben (Bakterien) analysiert, die in Hohlräumen innerhalb der tiefen Korallenriffe leben. Diese Proben wurden während der Expedition entnommen und für spätere DNA-Sequenzierung eingefroren."
"Korallenriffe stellen das reichste und empfindlichste Ökosystem der Erde dar," erläutert Camoin. Er weist darauf, dass es immer weniger Korallenriffe gibt und die Hälfte aller Riffe voraussichtlich in den nächsten Jahrzehnten verschwinden werden: "Korallenriffe
spielen eine herausragende Rolle bei globalen Kreisläufen," versichert Camoin.
(idw – IODP, 13.03.2006 – AHE)