Nicht nur vor Sumatra, auch in anderen Regionen Asiens ist die Erde in Bewegung: Wissenschaftler haben festgestellt, dass sich die Erdplatten entlang einer tektonischen Verwerfung in Tibet, dem Karakorumgraben, in den letzten 140.000 Jahren um rund zehn Millimeter pro Jahr verschoben haben. Die Verwerfung entstand durch die gleiche tektonische Kollision zweier Krustenplatten wie in der Tsunamiregion Indonesiens.
Während frühere Studien mithilfe von Satelliten gestützter Radarinterferometrie noch ergeben hatten, dass der Karakorumgraben und das Karakax-Segmnent der Altyn Tagh-Verwerfung im Himalaya prinzipiell eher inaktiv sind, zeigen die jüngsten Forschungen das genaue Gegenteil.
Die Forscher Rick Ryerson, Marie-Luce Chevalier und Bob Finkel vom Lawerence Livermore Laboratorium in den USA haben gemeinsam mit Kollegen in Frankreich und China die Bewegung des Karakorumgrabens entlang eines Zweigs des Verwerfungssystems übe den Zeitraum von Tausenden von Jahren untersucht. Ihre Ergebnisse werden in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Science veröffentlicht.
Sie stellten fest, dass der Versatz entlang dieses Grabens allein schon rund zehn Mal größer war als die früher für die gesamte Störungszone von den Satelliten ermittelten Werte. Sowohl die Karakorumgraben als auch die Verwerfung, die im Dezember den Tsunami ausgelöst hat, liegen am nördlichen Rand der Indischen Erdplatte – dort, wo die kontinuierliche Nordwärtsbewegung der Platte immer wieder Erdbebenverursacht und das tibetanische Hochland langsam weiter in die Höhe drückt.
„Die Bestimmung der aktuellen und vergangenen Bewegung entlang der Karakorumverwerfung ist entscheidend, um die Bewegung des gesamten asiatische Kontinents zu verstehen“, erklärt Ryerson. „Die Kollision des kontinentalen Materials von Indien und Asien hat die Anhebung des Himalaya und Tibets verursacht.“
Die Wissenschaftler maßen den Versatz seit dem mittleren und späten Pleistozän, der Zeitperiode vor zwei Millionen bis 11.000 Jahren, in dem sie zwei durch die Verwerfung verschobene Moränenkämme am Ende des Manikala-Gletschertals vermaßen und mithilfe der Isotopenmethode datierten. Eine Moräne besteht aus einer Ansammlung von Gestein, Felsbrocken und anderem Geröll, das durch einen Gletscher mittransportiert und dann abgelagert wurde.
Die der Moränen ergab, dass diese von Osten nach Westen immer jünger wurden – ein Befund, der gut mit dem rechtseitigen Versatz der Verwerfung zusammenpasste. „Diese Forschung könnte auch zu der Entwicklung von neuen Modellen führen, die die unterschiedliche Versatzraten beinhalten und erklären“, so Ryerson. Die Wissenschaftler schlossen aus ihren Ergebnissen auch, dass die Versatzrate zischen dem südwestlichen Tibet und dem westlichen Himalaya sogar noch größer sein müsste als die ermittelten zehn Millimeter pro Jahr, da die Bewegung entlang der Hauptverwerfung Altyn Tagh zusammen mit dem Versatz anderer aktiver Gräben in der Region ebenfalls mit eingerechnet werden muss.
(DOE/Lawrence Livermore National Laboratory, 21.01.2005 – NPO)