Geowissen

Tiefbohrungen: Vorstoß zum Erdmantel bald möglich?

Erste Vorarbeiten für eine Neuauflage des „Projekts Mohole“ laufen bereits

In diesem Frühjahr jährt sich zum 50. Mal der Versuch, durch die Kruste der Erde hindurch in den Mantel zu bohren. Das „Projekt Mohole“ scheiterte damals. Doch der Vorstoß zu der bis heute unerreichbaren Kruste-Mantel-Grenze könnte schon in naher Zukunft Wirklichkeit werden. Das jedenfalls meinen zwei Experten des Internationalen Tiefbohrprogramms IODP jetzt in „Nature“. Die ersten Vorarbeiten für ein solches Projekt laufen bereits.

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Der Erdmantel macht den mit Abstand größten Teil unseres Planeten aus, ist entscheidend wichtig für zahlreiche Naturphänomene, doch er entzieht sich bisher beharrlich jeder direkten Untersuchung. Unter den Kontinenten beginnt er erst in 30 bis 60 Kilometern Tiefe, unter der dünneren Kruste der Ozeane liegt er stellenweise nur sechs Kilometer unter dem Meeresboden – für Bohrungen immer noch unerreichbar.

„Projekt Mohole“: ein erster epochaler Versuch

Das ergab auch vor genau 50 Jahren der weltweit erste Versuch dieser Art, das „Projekt Mohole“. Ziel dieses 1957 initiierte und 1961 realisierten Forschungsprogramms war es, die Grenzschicht zwischen ozeanischer Kruste und Mantel, die so genannte Mohorovičić-Diskontinuität, mittels Tiefbohrung zu erreichen. Mit Hilfe des Bohrschiffs CUSS 1 gelang es den Wissenschaftlern und Technikern tatsächlich, vor der Küste von Guadeloupe in den unter 3.500 Meter Wasser liegenden Meeresboden zu bohren. Dabei allerdings kamen sie nicht weit: Schon nach 183 Metern war Schluss.

Zwar gelang es, damit den ersten Bohrkern aus der Erdkruste zu bergen und später wissenschaftlich auszuwerten, der Traum von einer Bohrung in den Erdmantel war jedoch erstmal ausgeträumt. Gelänge es, eine direkte Probe des Mantelgesteins zu gewinnen, wäre dies für die Wissenschaft eine Schatztruhe vergleichbar den ersten Gesteinsproben, die die Apollo-Mondmissionen in den 1960er Jahren zur Erde zurück brachten. Bisher allerdings hat noch kein Bohrprojekt tiefer als zwei Kilometer in die ozeanischen Kruste eindringen können.

Technologie heute fast reif für Mantel-Vorstoß

Doch das könnte sich jetzt ändern, so jedenfalls die Einschätzung von Damon Teagle von der Universität von Southampton und Benoit Ildefonse von der Universität von Montpellier, beides Leiter eines aktuellen Bohrprojekts des Internationalen Tiefbohrprogramms IODP. Ihrer Ansicht nach existiert die Bohrtechnologie, die erstmals auch einen Vorstoß in den Erdmantel erlauben könnte, heute größtenteils schon oder wird in Kürze entwickelt werden. Ein besonders vielversprechender Kandidat, so die Geologen, ist die auf dem japanischen Bohrschiff Chikyu eingesetzte „Riser“-Technologie. Bei dieser umgibt den eigentlichen Bohrer ein zweites Rohr, in dem unter anderem der Abraum an die Oberfläche transportiert wird.

Drei Standorte werden bereits geprüft

Parallel zu den Weiterentwicklungen der Technik werden in den nächsten Jahren bereits die optimalen Standorte für die erste Mantelbohrung gesucht, drei Kandidaten sind in der engeren Wahl: neben dem Gebiet um die ursprüngliche Projekt Mohole-Bohrung sind dies Bereiche nahe Hawaii und ein Standort auf der Kokosplatte vor der Westküste Mittelamerikas. Zu Letzterem geht ab 13. April 2011 eine Expedition des Internationalen Tiefbohrprojekts IODP mit dem Schiff JOIDES Resolution. In diesem besonders jungen – noch ohne die Riser-Technologie – Bohrungen durch. Immerhin 1,5 Kilometer Tiefe haben vorhergehende IODP-Expeditionen hier bereits erreicht.

„In diesem Frühjahr planen wir, das Loch um noch einmal mindestens 400 Meter zu vertiefen und damit zum ersten Mal Gabbro-Gestein aus der unteren Kruste zu fördern“, erklären Teagle und Ildefonse in Nature. „Das wird die tiefste Gesteinsart sein, die jemals aus dem Meeresboden hinaufbefördert worden ist. Damit sind wir zwar noch immer 3,5 Kilometer oberhalb der Moho, aber unser Projekt wird wichtige Impulse und Informationen für eine volle Durchbohrung der ozeanischen Kruste bis in den oberen Mantel hinein liefern.“ Wann und ob dies gelingt, muss die Zukunft zeigen…

(Nature, 25.03.2011 – NPO)

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