Blick in die verborgenen Tiefen: Forscher haben erstmals die Struktur tief unter einer ganz speziellen Nahtzone der Erdkruste durchleuchtet – eines ultralangsam aufreißenden mittelozeanischen Rückens. Obwohl rund ein Drittel der irdischen Spreizungszonen zu diesem Typ gehören, war ihr Innenleben bisher weitgehend unbekannt. Jetzt liefern Leitfähigkeitsmessungen erste Informationen aus der Tiefe.
Die mittelozeanischen Rücken sind Nahtstellen der Erde – und Fabriken für neue Ozeankruste. Weil dort die Erdplatten auseinanderdriften, tritt frisches Magma aus dem Erdinneren zutage. Als Folge bilden sich langgezogene Gebirgsrücken, durchzogen von Unterseevulkanen und hydrothermalen Schloten. Meist tritt die Lava an diesen Ozeanrücken eher langsam und stetig aus, aber auch gewaltige Eruptionen sind möglich. Ob diese Ausbrüche jedoch passiv entstehen, weil die Kruste von den driftenden Erdplatten auseinandergerissen wird, oder ob Magmadruck in der Tiefe sie verursacht, ist bislang strittig.
Das Rätsel der langsamen Rücken
Das Problem dabei: Bisher ist kaum bekannt, was unter den mittelozeanischen Rücken geschieht. Zwar haben Geoforscher einige besonders schnell aufreißende Rücken untersucht, noch nie jedoch ist ein Blick in die Tiefen der ultralangsamen Spreizungszonen gelungen – und davon gibt es viele: „Mehr als ein Drittel aller mittelozeanischen Rücken haben eine Spreizungsrate von weniger als 20 Millimetern pro Jahr“, erklären Ståle Emil Johansen und seine Kollegen von der Norwegischen Universität für Wissenschaft und Technologie (NTNU) in Trondheim.
Um das Geheimnis dieser langsamen Nahtstellen zu lüften, haben die Forscher den Mohns-Rücken südwestlich von Spitzbergen untersucht. Dort verrät sich das langsame Auseinanderdriften der Erdplatten vor allem durch ein ausgedehntes Feld hydrothermaler Schlote. Die Schwarzen Raucher von „Lokis Schloss“ liegen in gut 2.300 Metern Tiefe und sind die bisher nördlichsten Vertreter ihrer Art. Dieses Schlotfeld wurde erst 2008 entdeckt.
Leitfähigkeit verrät Gesteinsbeschaffenheit
Johansen und sein Team analysierten die Leitfähigkeit des Tiefengesteins mit zwei Methoden. Magnetotellurische Messungen erfassten die Reaktion des Gesteins auf die elektromagnetische Hintergrundstrahlung. Für die aufwändigere CSEM-Technik platzierten die Wissenschaftler erst 30 Sensoren entlang einer Traverse am Meeresgrund. Dann zog das Forschungsschiff eine Ladungsquelle darüber hinweg und die Sensoren zeichneten auf, wie diese Signale vom Untergrund verändert wurden.
„Wir haben diese beiden Techniken zum ersten Mal zu einem Signal kombiniert – und so spektakuläre Bilder der tiefen Strukturen erhalten“, sagt Johansen. „Wir konnten damit tiefer in den Untergrund dieser mittelozeanischen Rücken blicken als jemals zuvor.“ Bis in 120 Kilometer Tiefe reichte der „Blick“ der Sensordaten. Die subtilen Unterschiede in der Leitfähigkeit des Untergrunds verrieten sowohl die Zusammensetzung des Gesteins, als auch ob es geschmolzen oder fest ist.
Überraschend asymmetrisch
Wie die Messungen enthüllten, quillt unter dem mittelozeanischen Rücken Magma in einem schmalen und stark asymmetrischen Streifen in die Kruste hinauf. „Normalerweise sollte eine solche Aufstiegszone symmetrisch aussehen“, erklärt Johansen. „Aber in diesem Falle ist der Übergang von dem gut leitfähigen schmelzreichen Gestein zum festen auf der Westseite abrupter als auf der östlichen Seite des Rückens.“ Demnach ist die Erdplatte auf der Ostseite des mittelozeanischen Rückens deutlich dicker als auf der Westseite.
Nach Ansicht der Forscher könnte die asymmetrische Form und Bewegung der beiden Platten auch die Asymmetrie im Magmakanal erklären. Und sie gibt Einblick in die Frage, ob das Magma aktiv aufsteigt oder passiv von der Plattenbewegung nach oben „gesaugt“ wird: „Auch wenn die Zone einige Kennzeichen eines dynamischen Systems zeigt, reflektiert es stattdessen wahrscheinlich ein passives Aufquellen, ausgelöst von der langsamen und asymmetrischen Plattenbewegung“, so die Forscher.
Magmakammer unter Lokis Schloss
Und noch etwas enthüllten die Messungen: Etwa vier bis fünf Kilometer unter „Lokis Schloss“ liegt eine weitere Zone stark ansteigender Leitfähigkeit. „Dies spricht für einen erhöhten Schmelzanteil und könnte auf eine Magmakammer hindeuten“, berichten die Forscher. Sie konnte zudem ein ausgedehntes Netz von Flüssigkeitsströmen im Untergrund identifizieren, über das die hydrothermalen Schlote mit heißem, mineralstoffreichem m Wasser versorgt werden.
„Die Größe und langlebige Natur solcher Leitungssysteme könnte die Zirkulation in der Kruste fördern und erklären, warum ultralangsame Spreizungszonen häufig von einer linearen Beziehung zwischen Spreizungsrate und Wasseraustritt abweichen“, erklären Johansen und sein Team. (Nature, 2019; doi: 10.1038/s41586-019-1010-0)
Quelle: The Norwegian University of Science and Technology (NTNU)