Ökologische Langzeitfolgen: Der Abbau von Rohstoffen in der Tiefsee hat langanhaltende Folgen, wie eine Langzeitstudie nun erneut belegt. Selbst 26 Jahre nach dem Umpflügen eines Testgebiets am Meeresgrund leben dort nur noch halb so viele bodenlebende Organismen. Filtrierende Tierarten wie Anemonen, Tiefsee-Korallen oder Muscheln bleiben sogar um knapp 80 Prozent reduziert, wie die Forscher ermittelten. Sie fordern daher verstärkte Schutzmaßnahmen für die Tiefsee.
Die Tiefsee bietet reiche Rohstoffvorkommen: Am Grund von Pazifik und Atlantik finden sich Manganknollen und metallreiche Ablagerungen, die Kupfer, Nickel, Kobalt und andere Metalle enthalten. Ein Tiefsee-Bergbau wird daher diskutiert und aktiv erforscht. Doch für die Lebenswelt der Tiefsee hätte dies verheerende und möglicherweise sogar irreversible Folgen, wie schon mehrere Studien aufgezeigt haben. Sogar Wale könnten möglicherweise betroffen sein.
Tiefseepflügen für die Wissenschaft
Wie lange die Folgen schon eines einfachen Umpflügens des Meeresgrunds anhalten, zeigen nun die Ergebnisse einer Langzeitstudie. Für diese wurde im Jahr 1989 ein insgesamt 10,8 Quadratkilometer großes manganknollenreiches Areal im südöstlichen Pazifik mit schwerem Gerät umgepflügt. Ein acht Meter breiter Pflug fuhr 78 Mal über den Meeresgrund, begrub Manganknollen und wirbelte Sediment auf.
Wie sich diese dem Tiefsee-Bergbau ähnliche Störung auf die Tierwelt innerhalb und außerhalb der Pflugspuren auswirkt, haben Tanja Stratmann von der Universität Utrecht und ihre Kollegen 26 Jahre lang in regelmäßigen Abständen untersucht. „Wir haben diese einzigartige Zeitreihe aus der Tiefsee genutzt, um Modelle der Nahrungsnetze zu den verschiedenen Zeitpunkten aufzustellen und so deren Störungen zu ermitteln“, erklären die Forscher.
Fauna um die Hälfte reduziert – noch nach 26 Jahren
Das Ergebnis: Selbst 26 Jahre nach den Eingriffen in die Tiefsee-Umwelt hat sich die Tierwelt davon nicht erholt. In den Pflugspuren waren Nahrungsaufnahme und Atmung von Organismen stark zurückgegangen. Der Kohlenstoffumsatz der Fauna in diesem Areal lag auch nach 26 Jahren noch 54 Prozent unter der in den nicht gestörten Bereichen des Meeresbodens, wie die Forscher berichten.
Dabei trifft es nicht alle Tiere gleichermaßen, wie die Auswertung enthüllte: Organismen, die sich von organischen Ablagerungen und im Sediment enthaltenen Nährstoffe ernähren, waren kaum betroffen. Sie verzeichneten nur einen Verlust von 2,6 Prozent. „Die filtrierende und suspensionsfressende Fauna hat es umso härter getroffen. Hier gibt es knapp 80 Prozent weniger Aktivität“, berichtet Koautorin Lidia Lins vom Senckenberg Forschungsinstitut in Frankfurt.
Einer der Gründe: Diese Tiere – darunter Muscheln, Nesseltiere und Tiefseekorallen – sind auf festen Untergrund angewiesen und siedeln daher besonders oft auf Manganknollen. Werden diese jedoch entfernt oder untergepflügt, fehlt ihnen das geeignete Habitat. Auf reinem Sediment finden sie keinen Halt.
Schutzzonen gefordert
Nach Ansicht der Forscher belegt dies einmal mehr, dass der Tiefsee-Bergbau einen weitreichenden und folgenschweren Eingriff in die marine Lebenswelt darstellen würde. „Wir konnten zeigen, dass sich die Ökosysteme in der Tiefsee nur sehr langsam von Eingriffen erholen – fast 30 Jahre nach einer vergleichsweisen kleinen Störung ist gerade mal die Hälfte an Leben in das Gebiet zurückgekehrt“, sagt Lins. „Wir plädieren daher für Schutzzonen in den Ozeanen.“
An Brisanz gewinnen diese Ergebnisse dadurch, dass auch ökologische Ausgleichs- oder Renaturierungsmaßnahmen nur wenig nutzen, wie erst vor kurzem eine andere Studie belegte. Weil sich die sensiblen Ökosysteme in der Tiefsee nur extrem langsam erholen, greifen viele dieser Maßnahmen nicht oder zu spät. (Biogeosciences, 2018; doi: 10.5194/bg-15-4131-2018)
(Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen, 10.09.2018 – NPO)