Wieder einmal ist die Natur dem Menschen weit voraus: Schon seit Jahrmillionen gewinnt sie Energie aus Wasserstoff mittels lebender „Brennstoffzellen“. Den Beleg dafür haben Forscher jetzt an heißen Quellen in der Tiefsee entdeckt: Muscheln, in denen symbiotische Bakterien Wasserstoff in Energie umwandeln. Die Fähigkeit der Tiefseemikroben, Wasserstoff als Energiequelle zu nutzen, sei zuvor nicht bekannt gewesen, schreiben die WIssenschaftler im Fachmagazin „Nature“. Es gebe aber Indizien dafür, dass dies in den Lebensgemeinschaften an Tiefseequellen weit verbreitet sei.
Um das mineralienreiche, bis zu 400 Grad Celsius heiße Wasser der „Schwarzen Raucher“ der Tiefsee haben sich einzigartige Lebensgemeinschaften gebildet. Zuvor vollkommen unbekannte Arten von Würmern, Weichtieren und Gliederfüßern haben Wissenschaftler in den letzten Jahren dort entdeckt. In fast völliger Dunkelheit lebend, gewinnen diese Tiere die Energie zum Leben aus den Chemikalien, die die heißen Quellen ausstoßen. Bakterien, die in enger Gemeinschaft mit ihnen leben, helfen ihnen dabei. Bislang waren für diese Art der Energiegewinnung nur zwei chemische Quellen bekannt: Schwefelwasserstoff und Methan.
Bakterien setzen 5.000 Liter Wasserstoff pro Stunde um
Dass auch Wasserstoff von den Mikroben als Rohstoff genutzt wird, haben die Forscher erst jetzt nachgewiesen. „Unsere Experimente deuten darauf hin, dass die Muschelpopulation im Logatchev-Hydrothermalfeld bis zu 5.000 Liter Wasserstoff pro Stunde oxidiert“, sagt Frank Zielinski, einer der Teilnehmer der Forschungsexpedition. Das mit heißen Quellen übersäte Logatchev-Feld liegt in rund 3.000 Metern Wassertiefe auf halber Strecke zwischen der Karibik und den Kapverdischen Inseln. In einer Reihe von Forschungsfahrten registrierten die Forscher dort die höchsten jemals an solchen Quellen gemessenen Wasserstoff-Konzentrationen.
Dass dieses Gas von Organismen aktiv genutzt wird, zeigte sich erst, als sie Proben der dort in Massen wachsenden Muscheln näher untersuchten. Dafür nutzen die Forscher die Tiefseeroboter „MARUM-QUEST“ und „Kiel 6000“ und entnahmen damit Proben aus mehreren tausend Metern Tiefe.
Gen ermöglicht Wasserstoffnutzung
Mittels molekularbiologischer Methoden gelang es ihnen anschließend, eines der Schlüsselgene für die Wasserstoff-Oxidation nachzuweisen und den Wasserstoff-Verbrauch experimentell zu bestimmen. „Nach unseren Berechnungen bringt die Oxidation von Wasserstoff dort siebenmal mehr Energie als die Methanoxidation und bis zu 18-mal mehr Energie als die Oxidation von Sulfid“, sagt Jillian Petersen vom Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie in Bremen.
Die Gene für die Wasserstoff-Nutzung fanden die Forscher auch in anderen symbiontischen Bakterien von Tiefseebewohnern, darunter ein Röhrenwurm und eine Garnele. „Wir gehen deshalb davon aus, dass die Fähigkeit, Wasserstoff als Energiequelle zu nutzen, unter diesen symbiotischen Gemeinschaften weit verbreitet ist, und zwar selbst dort, wo der Wasserstoff in nur sehr geringen Mengen vorkommt“, sagt Projektleiterin Nicole Dubilier. (Nature, 2011; DOI: 10.1038/nature10325)
(Max-Planck-Institiut für marine Mikrobiologie, 11.08.2011 – NPO)