Geowissen

Tiefste Schlucht der Erde entdeckt

Ein unter dem Eis der Ostantarktis verborgener Canyon erreicht 3.500 Meter Tiefe

Transantarktisches Gebirge
Unter dem dicken Eispanzer der Antarktis liegen nicht nur kilometerhohe Berge, sondern auch die tiefsten Schluchten der Erde, wie nun eine neue Kartierung enthüllt. © NASA/ IceBridge

Verborgener Gigant: Unter dem Eis der Ostantarktis liegt die tiefste Schlucht der Erde – ein steiler, schmaler Canyon, der 3.500 Meter in die Tiefe reicht. Der Grund dieser Schlucht ist damit der tiefste an Land liegende Punkt unseres Planeten. Aufgespürt wurde diese eisgefüllte Schlucht erst durch die bislang genaueste Karte der antarktischen Topografie, die Forscher mithilfe von Radardaten, Schwerefeldmessungen und seismologischen Daten erstellt haben.

Was sich unter der kilometerdicken Eiskruste der Antarktis verbirgt, blieb lange ein Rätsel. Erst in jüngster Zeit haben Daten von Radarsatelliten, Messflüge mit Flugzeugen und auch seismische Messungen vor Ort einige Details der antarktischen Topografie aufgedeckt. Demnach ist die Antarktis ein ziemlich zerklüfteter Kontinent mit kilometerhohen Bergen, einem riesigen Vulkangebiet und gleich mehreren tiefen Schluchten – drei davon liegen unter dem Südpoleis, eine weitere am Ellsworth-Gebirge.

Lage der Schlucht
Der Pfeil markiert die ungefähre Lage der Schlucht unter dem Denman Gletscher. © Mathieu Morlighem/ UCI

Tiefster Punkt aller Landflächen

Doch nun haben Mathieu Morlighem von der University of California in Irvine und sein Team eine noch extremere „Kerbe“ im antarktischen Untergrund entdeckt. Demnach liegt unter dem Denman-Gletscher im Osten der Ostantarktis eine Schlucht, die den Grand Canyon und auch die bisher bekannten Antarktis-Schluchten in den Schatten stellt.

„Unseren Berechnungen nach reicht der Canyon bis in eine Tiefe von 3.500 Meter unter dem Meeresspiegel“, sagt Morlighem. „Er ist damit der tiefste bekannte Punkt an Land.“ Tiefer hinab reichen nur die unterseeischen Schluchten der Tiefseegräben. Dass unter dem Denman-Gletscher eine Schlucht liegt, hatten zwar schon frühere Kartierungen nahegelegt. Doch wie tief sie wirklich ist, haben erst Morlighem und sein Team herausgefunden.

Genaueste Kartierung der antarktischen Topografie

Möglich wurde diese Entdeckung durch das „BedMachine“-Projekt – die bisher genaueste Kartierung der antarktischen Topografie. Dafür haben die Forscher Millionen Radardaten von Satelliten und Messflugzeugen ausgewertet und zusätzlich Schwerefeldmessungen und seismologische Daten herangezogen. Auch Daten zur Eismasse und -bewegung lieferten Hinweise auf die Struktur der subglazialen Landschaft.

Durch diese Kombination von Daten ist die bislang detailreichste Karte der antarktischen Topografie entstanden – mit einigen überraschenden Neuheiten. „Es gab viele Überraschungen, verteilt über den gesamten Kontinent“, sagt Morlighem. „Das gilt vor allem für die Regionen, die zuvor noch nicht in hoher Auflösung per Radar untersucht worden waren.“ Auch der Denman-Gletscher mit seiner Schlucht gehörte dazu.

Topografie der Antarktis
DIe "BedMachine"-Karte zeigt die antarktische Topografie so detailreich wie nie zuvor. © Mathieu Morlighem/ UCI

Hemmende Grate und beschleunigende Senken

Die neue Karte liefert zudem Informationen über Landschaftsformen, die das Fließen der Gletscher und Eisströme entscheidend beeinflussen. „Man sieht Details wie Buckel und Senken unter dem Eis, die die Gletscher beschleunigen, bremsen oder sogar stoppen können“, sagt Morlighem. So enthüllte die Kartierung, dass es am Transantarktischen Gebirge eine Reihe von aufragenden Rücken gibt, die das Eis stabilisieren.

Ausgerechnet unter den beiden größten Gletschern der Westantarktis hat der Felsuntergrund dagegen eine Topografie, die den Eisabfluss noch fördert, wie die Forscher berichten. Der Thwaites-Gletscher und der Pine-Island-Gletscher gehören schon jetzt zu den Eisströmen, die besonders schnell abtauen und deren Schmelze möglicherweise sogar schon unumkehrbar ist.

„Letztlich hat BedMachine ein gemischtes Bild für die Antarktis ergeben: In einigen Gebieten sind die Eisströme durch die unterliegende Topografie relativ gut geschützt, während andere Gletscherbetten besitzen, die eine stärkere Gefährdung nahelegen“, sagt Morlighem. Das neue Wissen über die verborgene Topografie der Antarktis könnte dadurch helfen, den kommenden Eisverlust abzuschätzen und damit auch die Wirkung dieser Schmelze auf den Meeresspiegel. (Nature Geoscience, 2019; doi: 10.1038/s41561-019-0510-8)

Quelle: University of California – Irvine

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