Geowissen

Tiefstes Blue Hole der Welt identifiziert

Lagunen-Karstloch Taam Ja' in Mexiko ist 420 Meter tief – mindestens

Blick in das Karstloch Taam Ja'
Ins Bodenlose: An dieser Leine vor senkrechten Kalksteinwänden hängt das Messgerät, mit dem Forschende das Taam Ja’ Blue Hole in Mexiko vermessen haben – mit überraschenden Ergebnissen. © ECOSURMX

Kein Grund in Sicht: In Mexiko liegt das bisher tiefste bekannte „Blue Hole“ der Welt, wie neue Messungen enthüllen. Das Taam Ja‘ getaufte Karstloch an der Küste Yucatans reicht demnach mindestens 420 Meter hinab – sein Grund wurde noch nicht erreicht. Damit löst dieses Blue Hole den bisherigen Rekordhalter, das 300 Meter tiefe „Drachenloch“ in China, ab. Die Messungen lieferten zudem Hinweise auf noch unentdeckte Verbindungsgänge am Grund des Blue Hole.

Ob die Schwäbische Alb, die Balkanregion oder Yucatan in Mexiko: Viele Karstgebiete weltweit sind von Höhlen, unterirdischen Flussläufen und Einsturzlöchern durchsetzt. Die chemische Verwitterung durch einsickerndes Wasser hat dort im Laufe der Zeit unzählige Hohlräume in das Kalkgestein des Untergrunds gefressen. Auf der mexikanischen Halbinsel Yucatan sind durch diese Prozesse zahlreiche Cenoten entstanden – kreisrunde, mit Süßwasser gefüllte Sinklöcher, die den Maya als heilige Eintrittspforten in die Unterwelt galten.

Lage und Ansichten des Taam Ja' Blue Hole
Lage des Taam Ja’ Blue Hole in der Brackwasser-Lagune Chetumal Bay und Aufnahmen von Tauchern aus fünf, 20 und 30 Metern Tiefe. © Alcerreca-Huerta et al/ Frontiers in Marine Science, CC-by 4.0

Ein Loch im Lagunengrund

Ein erst kürzlich entdecktes Karstloch ist das „Taam Ja‘ Blue Hole“ (TJBH) an der Küste der Chetumal Bay auf Yucatan. Es liegt am Grund der Chetumal Bay, einer brackigen Lagune an der Grenze zwischen Mexiko und Belize. Als Forscher im Jahr 2023 versuchten, die Tiefe dieses Karstlochs mittels Echolot zu messen, kamen sie auf einen Wert von 274 Meter. Damit galt dieses Blue Hole als das zweittiefste der Erde, nach dem gut 300 Meter tiefen „Drachenloch“ an der Küste Südchinas.

„Allerdings haben Echosounding-Methoden in komplexen Umgebungen wie den Blue Holes oder Sinklöchern häufig Probleme“, erklären Juan Carlos Alcerreca-Huerta vom Forschungszentrum ECOSUR in Chetumal und seine Kollegen. Denn Dichtegradienten im Wasser und die unregelmäßige Form der wassergefüllten Karstlöcher können die Messungen stören und verfälschen. „Zudem konnte die anfängliche Erkundung nicht den Grund des Lochs ausmachen“, so die Forschenden. Dadurch blieb unklar, wie tief das Taam Ja‘ Blue Hole tatsächlich ist.

Neue Messungen im Blue Hole

Um diese Frage zu klären, haben nun Alcerreca-Huerta und sein Team das mexikanische Blue Hole erneut untersucht. Dafür unternahmen sie zunächst Tauchgänge im oberen Bereich des Karstlochs, um die Beschaffenheit der Wände und die dort siedelnden Organismen zu untersuchen. Sie zeigten, dass die steilen Wände in den oberen 25 Metern mit einem dichten, weichen Biofilm bewachsen waren, der Bewuchs in tieferen Regionen jedoch spärlich wird.

Parallel dazu ließen die Wissenschaftler einen CTD-Profiler – eine mit Sensoren für Wasserdruck, Temperatur und Leitfähigkeit bestückte Tauchsonde – in das Blue Hole hinab. „Ziel war es, mithilfe der neuen CTD-Messungen die Echo-Sounding Ergebnisse zu überprüfen und gleichzeitig nach dem Grund des Lochs zu suchen“, berichten die Forschenden. Dafür ließen sie die CTD-Sonde von einem Boot aus an einem 500 Meter langen Kabel in das Taam Ja‘ Blue Hole hinab.

So haben die Forschenden das tiefste Blue Hole der Welt erkundet .© ECOSURMX

420 Meter tief – und noch kein Grund in Sicht

Die Auswertung der Messungen enthüllten Überraschendes: Entgegen den früheren Sonardaten ergaben die CTD-Werte für das Blue Hole eine Tiefe von mehr als 420 Metern. „Damit etablieren diese neuen Resultate das Taam Ja’ Blue Hole eindeutig als das tiefste Blue Hole der Welt – und noch immer wurde der Grund nicht erreicht“, schreiben Alcerreca-Huerta und seine Kollegen. Das Karstloch im mexikanischen Chetumel ist damit mehr als 100 Meter tiefer als der bisherige Rekordhalter, das Drachenloch in China.

Doch warum hatten die früheren Echolotmessungen nur die weit geringere Tiefe von 274 Metern ergeben? Ein Grund dafür könnte sein, dass der untere Teil des Sinklochs nicht senkrecht verläuft. „Die Echolotmessungen konzentrierten sich primär auf die Nordseite, wo die Tiefe nur bei rund 250 Meter unter Normalnull liegt“, erklärt das Team. Zudem liege in dieser Tiefe eine Dichte-Grenzschicht, die die Echolotmessungen ebenfalls verfälscht haben könnte.

Tiefenprofile
Mittels CTD-Tauchsonde erstellte Tiefenprofile für Temperatur, Salzgehalt, Dichte und Schallausbreitung im Taam Ja’ Blue Hole. © Alcerreca-Huerta et al/ Frontiers in Marine Science, CC-by 4.0

Gibt es eine unterirdische Verbindung?

Interessant auch: Die Temperatur- und Salzgehaltsdaten aus dem Karstloch zeigten deutliche Unterschiede zwischen den oberen Wasserregionen des Blue Hole und den tieferen Schichten. An der Oberfläche von Taam Ja’ dominiert demnach wärmeres Brackwasser, während das Tiefenwasser zunächst kühler und salziger wird und sich dann unterhalb von etwa 400 Meter Tiefe abrupt wieder erwärmt.

„In diesen Tiefen nähern sich die Wasserbedingungen des Taam Ja’ Blue Hole denen des Karibischen Meeres an“, erklären die Forschenden. „Dies könnte darauf hindeuten, dass es noch unentdeckte Verbindungen zum Meerwasser der Küstenlagune oder dem mesoamerikanischen Barriereriff-System gibt.“ Am Grund des Karstlochs könnte es demnach einen unterirdischen Zufluss zum Ozean geben.

Noch viel zu erforschen

Nach Ansicht Alcerreca-Huertas und seiner Kollegen gibt das tiefste Blue Hole der Welt damit noch einige Rätsel auf. So muss seine Geologie erst noch genauer erkundet werden und auch seine tiefsten Regionen und der Grund dieses Karstlochs sind noch unerforscht. Auch die Hydrogeologie und Dynamik des Wassers im Blue Hole ist bisher erst in Ansätzen bekannt.

„In den Tiefen des Taam Ja’ Blue Hole könnte sich zudem eine noch unentdeckte Artenvielfalt verborgen liegen, die in Verbindung mit den physikochemischen und geomorphologischen Prozessen ein einzigartiges Biotop bilden könnte“, schreiben die Wissenschaftler. Sie planen bereits weitere Untersuchungen des neuen Rekordhalters unter den Blue Holes. (Frontiers in Marine Science, 2024; doi: 10.3389/fmars.2024.1387235)

Quelle: Frontiers in Marine Science

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