Rätselhafte Formationen: Erneut sorgen die Seen des Titan für Überraschungen. Denn neue
topografische Daten enthüllen, dass sie wie eingestanzt in der Landschaft liegen. Ihre steilen Ufer, hohen Randwülste und der flache, oft treppenförmig abgestufte Seegrund lassen sich mit gängigen geologischen Prozessen kaum erklären. Ein einheitlicher Pegel spricht zudem dafür, dass viele dieser Seen über unterirdische Kanäle miteinander verbunden sind – möglicherweise ist der Untergrund karstartig durchlöchert.
Der Saturnmond Titan ist ebenso faszinierend wie rätselhaft. Denn er besitzt mit Canyons, Seen, Regen und Wolken auf den ersten Blick verblüffend erdähnliche Merkmale. Doch statt Wasser zirkulieren Kohlenwasserstoffe in seinen Gewässern und sein Eis besteht aus gefrorenem Methan und Ethan. Hinzu kommen verblüffende Phänomene wie „elektrischer Sand , eine paradoxe Tag-Nacht-Verteilung und „unmögliche“ Wolken.
Ein einheitlicher „Meeresspiegel“
Noch mehr Eigenheiten des Titan haben jetzt Alex Hayes von der Cornell University und seine Kollegen entdeckt. Dafür werteten sie die letzten Daten der inzwischen verglühten Raumsonde Cassini aus, die jahrelang im Saturnsystem unterwegs war. Eine von Kollegen erstellte erste detaillierte topografische Karte des Saturnmonds ermöglichte es ihnen, die Titanseen näher zu untersuchen.
Es zeigte sich: Die drei großen „Meere“ des Titan besitzen einen gemeinsamen Meeresspiegel – wie die Ozeane der Erde. „“Die Flüssigkeitspegel der drei polaren Maria unterschieden sich nicht mehr als acht Meter voneinander“, berichten Hayes und seine Kollegen. „Das spricht dafür, dass diese Seen miteinander verbunden sind.“ Ob durch Schluchten an der Oberfläche oder unterirdische Kanäle, ist noch offen.
Wie eingestanzte Löcher
Überraschend aber sind die Merkmale der kleineren Seen: Sowohl die flüssigkeitsgefüllten Seen als auch einige offenbar trockengefallene Becken besitzen erstaunlich steile Ufer: „Sie sehen aus, als hätte sie jemand mit einem Teigausstecher ausgestanzt“, sagt Hayes. Teilweise geht es von der Uferkante aus bis zu 200 Meter steil in die Tiefe.
Noch rätselhafter sind die aufgetürmten Ränder dieser lochartig eingestanzten Seen: Viele von ihnen sind von schmalen, aber teilweise mehr als hundert Meter hohen Wülsten umgeben. Seltsam auch: Der Grund dieser oft unregelmäßig geformten Seen senkt sich nicht graduell ab, sondern ist flach und teilweise treppenartig abgestuft.
Karstähnliche Einsturz-Phänomene?
Welcher geologische Prozess diese seltsame Seenform erzeugt hat, darüber können die Forscher bisher nur rätseln. Eine Vermutung: Es könnte sich um Formationen handeln, die dem irdischen Karst ähneln. Bei diesen Kalksteinformationen löst Wasser im Laufe der Zeit Teile des Gesteins und produziert so Höhlensysteme, ab er auch scharf abgegrenzte, teilweise kreisförmige Dolinen.
Möglicherweise, so vermuten die Wissenschaftler, haben sich auch die Seen des Titan durch den Einsturz unterirdischer Kavernen gebildet. Diese könnten analog zu Karsthöhlen durch eine Verwitterung und Erosion des Gesteins entstanden sein – nur das statt Wasser flüssige Kohlenwasserstoffe die Akteure waren.
Tatsächlich spricht der Vergleich gefüllter und leerer Seen dafür, dass es zumindest zwischen den im gleichen Gebiet liegenden Seen eine unterirdische Verbindung geben könnte. Der Grund: Die Seen sind nur dann trocken, wenn ihr Grund oberhalb des Pegels der gefüllten Nachbarseen liegt. „Lägen sie tiefer, würden auch sie sich füllen“, erklärt Hayes. „Das spricht dafür, dass es unter der Oberfläche eine Verbindung gibt und dass in der Tiefe flüssige Kohlenwasserstoffe zirkulieren.“
Rätsel der Randwülste bleibt
Die Theorie eines karstähnlichen Untergrunds könnte auch erklären, warum die Seen einen treppenartigen Grund besitzen und so unregelmäßig geformt sind: Diese Merkmale entstanden, als mehrere benachbarte Einsturzlöcher miteinander verschmolzen oder aber das Oberflächenmaterial rund um die Seen nach und nach ebenfalls eingebrochen ist.
„Aber wenn diese Löcher nach außen wachsen, was ist dann mit den erhöhten Rändern? Werden sie jedes Mal zerstört und dann wieder neu aufgetürmt?“, fragt Hayes. „Diese Dinge zu verstehen ist meiner Meinung nach der Dreh- und Angelpunkt dafür, die Entwicklung dieser polaren Becken auf dem Titan aufzuklären.“ (Geophysical Review Letter, 2018; doi: 10.1002/2017GL075468)
(Cornell University, 18.01.2018 – NPO)