Folgenschwere Eruption: Der Ausbruch des Toba-Supervulkans vor 74.000 Jahren könnte einen drastischen Ozonschwund in der irdischen Stratosphäre verursacht haben. Dadurch entstand über den Tropen ein riesiges Ozonloch, dessen Ozondichte noch niedriger lag als heute über der Antarktis, wie Forscher ermittelt haben. Gemeinsam mit dem vulkanischen Winter könnte dieser Ozonschwund das Überleben der frühen Menschen stark beeinträchtigt haben.
Vor rund 74.000 Jahren ereignete sich auf Sumatra der stärkste Vulkanausbruch der letzten 2,5 Millionen Jahre. Der Toba-Supervulkan schleuderte 2.800 Kubikkilometer vulkanisches Material aus und brachte bis zu 2.000 Megatonnen Schwefeldioxid in die Stratosphäre – rund 100-mal mehr als der Ausbruch des Pinatubo im Jahr 1991. Der daraus resultierende Aerosolschleier kühlte das Erdklima mehrere Jahre lang um bis zu 3,5 Grad ab – ein vulkanischer Winter war die Folge.
Einer Theorie nach waren die Klimaeffekte des Toba-Ausbruchs sogar so stark, dass sie unsere Vorfahren, die ersten Vertreter des Homo sapiens, an den Rand der Ausrottung brachten. Inzwischen legen archäologische Funde jedoch nahe, dass Menschen im Süden Afrikas und in Indien weniger stark vom vulkanischen Winter betroffen waren als zunächst angenommen.
Aerosolschleier hemmt Ozonbildung
Doch der Toba-Ausbruch könnte neben dem vulkanischen Winter eine weitere, für die Lebenswelt verheerende Folge gehabt haben, wie Sergey Osipov vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz und seine Kollegen herausgefunden haben. Sie hatten untersucht, wie sich die Eruptionswolke einer so starken Eruption auf die Ozonschicht auswirkt. Diese Schicht der Stratosphäre trägt entscheidend dazu bei, die Erdoberfläche vor dem einfallenden UV-Licht abzuschirmen.
Das Problem jedoch: „Um Ozon aus dem Sauerstoff der Atmosphäre zu erzeugen, müssen Photonen die O2-Bindung aufbrechen“, erklärt Osipov. „Wenn aber ein Vulkan große Mengen an Schwefeldioxid freisetzt, blockiert diese Eruptionswolke das Sonnenlicht. Das beeinträchtigt die Ozonbildung, erzeugt ein Ozonloch und erhöht die UV-Belastung.“
Ob und wie stark sich der Toba-Ausbruch auf die Ozonschicht ausgewirkt haben könnte, haben die Forschenden mithilfe eines Erdsystemmodells des Goddard Institute for Space Studies (GISS) der NASA untersucht. Dabei gingen sie von einem Ausstoß von bis zu 2.000 Megatonnen Schwefeldioxid aus, von dem ein Teil in die Stratosphäre gelangte und sich dort vor allem entlang des Tropengürtel verteilte.
Ozonloch über den Tropen
Das Ergebnis: Während des ersten Jahres nach der Eruption beeinträchtigte der Aerosolschleier die Ozonbildung so stark, dass die Ozonwerte global um bis zu 20 Prozent absanken. In den Tropen könnte es sogar zu einem Kollaps der stratosphärischen Ozonschicht gekommen sein: „Unsere Berechnungen deuten darauf hin, dass die Ozondichte nahe des Äquators auf weniger als 125 Dobson-Einheiten absank – das entspricht einer Reduktion um mehr als die Hälfte“, berichten Osipov und seine Kollegen.
Das bedeutet: Über den Tropen könnte damals ein Ozonloch existiert haben, das weit ausgeprägter war als das heutige Ozonloch über der Antarktis. Den Simulationen nach hätte sich ein solches Ozonloch selbst dann gebildet, wenn die Toba-Eruption statt dem 100-Fachen der Pinatubo-Eruption nur das 20-Fache an Schwefeldioxid freigesetzt hätte. „Auch dann finden wir einen tropischen Ozonschwund, der mit weniger als 175 Dobson-Einheiten schwerwiegender und größer ist als das antarktische Ozonloch“, so das Team.
Der eruptionsbedingte Ozonschwund erreichte dem Modell zufolge rund ein halbes Jahr nach dem Toba-Ausbruch seinen Höhepunkt und schwächte sich dann im Verlauf von rund drei Jahren wieder ab.
Augenschäden, Hautkrebs und Immunsuppression
Für die irdische Lebenswelt und auch unsere Vorfahren muss dieser Ozonschwund erhebliche Folgen gehabt haben. Denn auch wenn die Eruptionswolke in der Anfangszeit einen Teil der UV-Strahlung blockierte, dünnte dieser Schleier später genug aus, um noch UV-Licht zur ERdoberfläche durchzulassen. Die UV-Belastung könnte dadurch in den Tropen um 140 Prozent gestiegen sein – auf einen UV-Index-Wert von rund 28. „Schon ein UV-Index größer als zehn gilt laut Weltgesundheitsorganisation WHO als ‚extrem'“, erklären die Forschenden. „Die Spannbreite der möglichen Folgen durch eine so hohe UV-Belastung ist groß und betrifft Umwelt, Ökologie, Gesundheit und Gesellschaft.“
Konkret könnten Mensch und Tier schon nach kurzer Zeit unter Schäden und Entzündungen der Augen gelitten haben. Durch die schweren Sonnenbrände entwickelten sich zudem Hautausschläge und Entzündungen. Längerfristig führte die Strahlenbelastung zu einem stark erhöhten Krebsrisiko und einer erheblichen Schwächung des Immunsystems. All dies könnte im Laufe der Zeit zu einem deutlichen Rückgang der menschlichen Population geführt haben, so Osipov und sein Team.
Zwischen Kälte und Ozonloch
Nach Ansicht der Wissenschaftler muss diese bislang kaum berücksichtige Folge des Toba-Ausbruchs die Auswirkungen der prähistorischen Eruption deutlich verstärkt haben. Während in den höheren Breiten vor allem die vulkanische Abkühlung Mensch und Tier das Leben erschwerte, kam in den Tropen der Ozonschwund als unsichtbare Gefahr zum Tragen.
Das könnte erklären, warum die frühe Menschheit in den Tropen deutlich dezimiert wurde, obwohl die vulkanische Abkühlung dort nach neueren Erkenntnissen weniger stark ausfiel als zunächst angenommen. „Die von uns postulierte UV-Krise erweitert das Konzept des vulkanischen Winters und bietet einen Weg, um die scheinbar widersprüchlichen Daten zu erklären“, konstatieren Osipov und seine Kollegen.
Die Forschenden gehen zudem davon aus, dass der von ihnen ermittelten UV-Schwund eher die untere Grenze des Möglichen darstellt. Denn wenn bei der Eruption auch halogenhaltige Gase ausgestoßen wurden, wie bei einigen Vulkanausbrüchen der Fall, dann hätten diese die Ozonschicht noch weiter ausgedünnt. (Communications Earth and Environment, 2021; doi: 10.1038/s43247-021-00141-7)
Quelle: KAUST – King Abdullah University of Science and Technology