Archäologie

Tod durch Bronzezeit-Tsunami

Archäologen entdeckten erstes Opfer des Thera-Ausbruchs vor rund 3.500 Jahren

Skelett
Dieses Skelett stammt von einem jungen Mann, der vor 3.500 Jahren durch einen vom Ausbruch des Thera-Vulkans verursachten Tsunami starb. © Vasif Sahoglu

Spektakulärer Fund: In der Türkei haben Archäologen erstmals die Überreste eines Menschen entdeckt, der durch die schlimmste Katastrophe der europäischen Bronzezeit starb – den Ausbruch des Vulkans Thera in der Ägäis. Der junge Mann wurde von einer einstürzenden Mauer verschüttet, als ein Tsunami seinen Wohnort Cesme-Baglararasi überflutete und zerstörte. Nahebei lagen auch die Gebeine eines durch die Flutwelle getöteten Hundes.

Der Ausbruch des Thera-Vulkans in der Ägäis war eine der größten Katastrophen der europäischen Bronzezeit. Die mehrphasige Eruption vor gut 3.500 Jahren zerriss die Insel Thera – heute Santorini – und verteilte Asche und Vulkanmaterial über dem gesamten östlichen Mittelmeerraum. Starke pyroklastische Ströme und möglicherweise auch der Kollaps der Caldera verursachten Tsunamis, die die umliegenden Küsten überfluteten. Möglicherweise hatte diese Katastrophe auch Mitschuld am Ende der Minoer – der ersten Hochkultur Europas.

Santorini
Vor gut 3.500 Jahren sprengte ein gewaltiger Vulkanausbruch die Insel Thera auseinander. Übrig blieb die sichelförmige Insel Santorini. © Borchee/ Getty images

Merkwürdig jedoch: „Trotz der Stärke dieses Ereignisses wurden bisher noch nie Überreste von menschlichen Opfern dieser Katastrophe identifiziert, nicht einmal im besonders stark betroffenen Gebiet um Aktrotiri“, erklären Vasif Sahoglu von der Universität Ankara und seine Kollegen. Einige Archäologen vermuten, dass die Einwohner der meisten Orte rechtzeitig fliehen konnten, andere halten es für wahrscheinlich, dass pyroklastische Ströme die Menschen im nahen Umfeld des Vulkans komplett verbrennen ließen.

Klare Spuren eines verheerenden Tsunamis

Welche Folgen die Katastrophe für den 227 Kilometer von Thera entfernten Ort Cesme-Baglararasi an der Westküste der Türkei hatte, haben Sahoglu und sein Team nun näher untersucht. Dafür führten sie Ausgrabungen in dem einst blühenden Hafen- und Handelsort durch, bei dem sie bis in die bronzezeitlichen Schichten vordrangen.

Die Ausgrabungen enthüllten: Auch Cesme-Baglararasi wurde vor rund 3.500 Jahren von dem Thera-Tsunami schwer getroffen. Von der Wucht der Flutwellen zeugen unter anderem eingestürzte Wände und Gebäudeteile, umhergeworfene Keramikreste und andere Artefakte. Anders als bei einem Erdbeben sind die Trümmer nicht in alle Richtungen verteilt, sondern folgen dem Weg des Wassers. „Unsere Studie liefert damit physische Belege dafür, dass damals große, zerstörerische Tsunamis selbst die nördliche Ägäis erreichten – ein Gebiet, das zuvor als nur von Aschenregen betroffen galt.“

Toter Mann mit Hund

Noch spektakulärer aber ist ein Fund, den die Archäologen neben den schwer beschädigten Überresten einer dicken Festungsmauer entdeckten: Inmitten von Tsunamigeröll lagen dort die Gebeine eines jungen Mannes, der beim Einsturz der Mauer gestorben sein muss. Radiokarbondatierungen der Fundschicht und der Überreste sprechen dafür, dass es sich hier um ein direktes Opfer der bronzezeitlichen Katastrophe handelte, wie die Forscher berichten.

Unweit des Mannes fanden die Wissenschaftler auch die Überreste eines Hundes, der offenbar beim Einsturz eines Türrahmens verschüttet worden war. „Die Tsunamiablagerungen von Cesme-Baglararasi umfassen damit die ersten Opfer der Thera-Eruption, die bisher gefunden wurden“, schreibt das Team.

Lageplan
Lage von Çeşme-Bağlararası und Fundorte von Eruptionsspuren. © Sahoglu et al. /PNAS

Vier Tsunamis hintereinander

Die Funde in der türkischen Bronzezeitsiedlung verraten auch einiges über den Ablauf der Flutkatastrophe. Denn die Schichtenabfolge legt nahe, dass der Ort von mindestens vier aufeinanderfolgenden Tsunamis getroffen wurde. Die ersten beiden Flutwellen folgten dabei im Abstand von nur wenigen Stunden. „Dann folgte eine Ruhepause, in der sich Asche auf dem Tsunamigeröll ablagerte“, berichtet das Team.

Nach einem dritten, schwächeren Tsunami kehrte noch einmal für mehre Tage oder Wochen Ruhe ein. In dieser Zeit müssen die überlebenden Bewohner der Gegend versucht haben, die Reste ihrer Habe sowie verschüttete Menschen oder zumindest deren sterblichen Überreste zu bergen. „Dies ist in Form zahlreicher, unregelmäßig geformter Gruben sichtbar“, so die Archäologen. Sie vermuten, dass diese Löcher gegraben wurden, um an Verschüttete oder Tote heranzukommen.

Zu tief verschüttet für eine Bergung

Im Falle des jungen Mannes jedoch blieb diese Suche offenbar erfolglos: „Das menschliche Skelett lag rund einen Meter unterhalb einer solchen Grube. Das spricht dafür, dass er zu tief lag, um damals gefunden und geborgen zu werden.“ Dann traf die vierte Tsunamiwelle ein und schwemmte eine weitere, dicke Schicht Geröll über das ohnehin schon verwüstete Gebiet. Auch die kurz vorher ausgehobenen Gruben wurde dabei wieder zugespült.

Für den einst blühenden Küstenort Cesme-Baglararasi bedeutete diese mehrfache Überflutung das Ende: „Mindestens ein Jahrhundert lang hörte dieser Ort auf zu existieren“, berichten Sahoglu und seine Kollegen. „Doch Cesme-Baglararasi war damals nur eines der vielen Siedlungsgebiete entlang der Mittelmeerküsten, die von der Eruption und den damit verbundenen Erdbeben, Tsunamis, Bränden und Aschenfällen betroffen waren.“ (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2021; doi: 10.1073/pnas.2114213118)

Quelle: Proceedings of the National Academy of Sciences

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