Geowissen

Tonga-Ausbruch reichte bis in den Weltraum

Satelliten detektierten nach der Eruption nie zuvor gemessene Effekte in der Ionosphäre

Tonga-Eruption
Die Eruption des Tonga-Vulkans erzeugte Turbulenzen und Plasmaeffekt bis an die Grenze des Weltraums. © NASA/Goddard Space Flight Center, Mary Pat Hrybyk-Keith

Hoch hinaus reichende Folgen: Die Auswirkungen des Vulkanausbruchs in Tonga Anfang 2022 reichten bis an die Grenze des Weltraums, wie Satellitendaten belegen. Demnach verursachte die Druckwelle der Eruption selbst in der Ionosphäre rekordschnelle Sturmwinde. Dies kehrte die Flussrichtung eines globusumspannenden Stroms geladener Teilchen um und verstärkte diesen Elektrojet um das Fünffache – solche Effekte wurden nie zuvor nach irdischen Ereignissen detektiert.

Als der Unterseevulkan Hunga Tonga-Hunga Ha‘apai am 15. Januar 2022 ausbrach, war dies nicht nur die stärkste Vulkaneruption seit 30 Jahren – die Auswirkungen waren weltweit zu spüren. Der Ausbruch verursachte ein Seebeben und Tsunamis, die sich im ganzen Pazifik ausbreiteten und für Überschwemmungen sorgten. Die riesige Aschewolke überzog das gesamte Tonga-Archipel mit giftiger Vulkanasche und erreichte auch Australien und Neuseeland. Die enorme Druckwelle des Ausbruchs raste einmal um die Erde und wurde sogar in Deutschland registriert.

Tonga-Eruptionswolke
Eruptionswolke des Hunga Tonga-Hunga Ha’apai am 15. Januar 2022 vom Orbit aus gesehen. © NASA/NOAA, GOES-17

Satelliten registrierten Ionosphären-Effekte

Doch war nicht alles: Satellitendaten enthüllen, dass sich die Eruption sogar bis an den Rand des Weltraums auswirkte. Für ihre Studie hatten Brian Harding von der University of California in Berkeley und sein Team Daten des NASA-Satelliten ICON und der Swarm-Satelliten der ESA ausgewertet – Sonden, die den Zustand der irdischen Ionosphäre überwachen und damit der Atmosphärenschicht, die in 80 Kilometer Höhe beginnt und allmählich in den interplanetaren Weltraum übergeht.

Normalerweise ist das dünne, geladene Plasma der Ionosphäre von schnellen Strömen geladener Teilchen geprägt, die entlang der Magnetfeldlinien um die Erde rasen. Bei Sonnenstürmen und anderen kosmischen Ereignissen kommt es zu Turbulenzen, die dann unter anderem Polarlichter verursachen.

Stärkste Stürme seit Beginn der Messungen

Am 15. Januar registrierten die Messinstrumente der Ionosphären-Satelliten jedoch Ungewöhnliches: ICON detektierte Turbulenzen und eine Druckwelle, die sich bis in die Ionosphäre ausbreitete. Dies verursachte rasend schnell aufsteigende Luftmassen, die sich mit dem Erreichen der dünneren Atmosphärenschichten weiter beschleunigten. In der Ionosphäre erreichten diese neutralen Stürme dann Geschwindigkeiten von gut 720 Kilometer pro Stunde, wie die ICON-Daten ergaben.

„Dies repräsentiert die stärksten Winde, die seit Start der Mission in 140 Kilometer Höhe gemessen wurden“, berichten die Forschenden. „Der Tonga-Vulkanausbruch verursachte extreme Fluktuationen im ionosphärischen Winddynamo.“ Insgesamt waren diese Veränderungen stärker als 99,9 Prozent der jemals in dieser Atmosphärenschicht gemessenen.

Äquatorialer Elektrojet kehrte sich um

Und noch etwas kam hinzu: Die Swarm-Satelliten detektierten auch extreme Veränderungen im Fluss der Ladungen und Teilchen der Ionosphäre. Der normalerweise relativ gleichmäßig um den Globus ziehende äquatoriale Elektrojet verstärkte sich unmittelbar nach dem Tonga-Eruption um das Fünffache und erreichte damit ebenfalls Rekordwerte. Kurze Zeit später kehrte sich die Richtung dieser schnellen Teilchen sogar um: Der Elektrojet strömte nun in ähnlicher Stärke plötzlich nach Westen statt nach Osten.

„Es ist sehr überraschend, dass der Elektrojet durch etwas beeinflusst werden kann, das sich auf der Erdoberfläche ereignet“, sagt Hardings Kollegin Joanne Wu. „Bisher haben wir so etwas nur bei starken geomagnetischen Stürmen beobachtet, wie sie durch Teilchenstürme und Strahlungsausbrüche von der Sonne ausgelöst werden.“ Die vom Vulkanausbruch verursachten Störungen hielten zudem mehr als zehn Stunden lang an und waren auch in 10.000 Kilometer Entfernung vom Eruptionsort in der Ionosphäre nachweisbar.

Irdische Einflüsse reichen überraschend weit

„Der Vulkan bewirkte eine der stärksten Störungen des erdnahen Weltraums, die wir je in der modernen Ära beobachtet haben“, sagt Harding. „Das Ereignis hat signifikante und beobachtbare Umverteilungen des ionosphärischen Plasmas verursacht.“ Damit demonstrieren diese Ergebnisse, dass selbst die Ionosphäre von irdischen Ereignissen beeinflusst werden kann, wenn sie so heftig ausfallen wie bei der Tonga-Eruption. Im Prinzip löste sie ein Weltraumwetter-Ereignis aus.

„Das erlaubt es uns, die bisher kaum verstandene Verbindung zwischen der unteren Atmosphäre und dem erdnahen Weltraum besser zu verstehen“, sagt Harding. (Geophysical Research Letters, 2022; doi: 10.1029/2022GL098577)

Quelle: NASA/Goddard Space Flight Center

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