Überraschende Entdeckung: Tornados entstehen offenbar anders als bisher gedacht – von unten nach oben statt umgekehrt. Das haben Forscher entdeckt, als sie bei vier Tornados die Rotation mittels Radar vermessen haben. Zu ihrer Verblüffung begann der dunkle Wolkenschlauch der Windhose erst unten zu drehen, bevor die Rotation auch obere Bereiche erfasste. Das widerspricht der gängigen Theorie zur Tornadobildung, so die Forscher.
Die rotierenden Windhosen der Tornados sorgen vor allem in den USA immer wieder für verheerende Zerstörungen. Aber auch bei uns in Mitteleuropa können Tornados auftreten – wenn auch seltener und schwächer ausgeprägt. Diese Windhosen entstehen immer dann, wenn feuchtwarme und kalte Luftmassen aufeinander treffen. An der Luftmassengrenze stürzt dann die kalte Luft in einem Strudel nach unten, während die Warmluft nach oben steigt. Es bildet sich ein dunkler Wolkenschlauch, der sich langsam aus einer Wolke nach unten absenkt.
Wo rotiert der Wolkenschlauch zuerst?
Nach gängiger Theorie entstehen Tornados daher von oben nach unten: „Man spricht auch von der ‚Top-Down‘-Hypothese“, erklären Jana Houser von der Ohio University und ihre Kollegen. „Nach dieser entwickelt sich die starke Rotation zuerst oben, dann nimmt die Drehung auch in geringeren Höhen immer weiter zu.“ Wenn dann der Wolkenschlauch den Boden berührt, ist der Tornado entstanden.
Doch stimmt diese Theorie überhaupt? Das haben nun Houser und ihr Team erstmals genauer überprüft. Möglich wurde dies, weil die Forscher fünf Tornados fanden, bei denen mobile Dopplerradar-Messungen die gesamte Länge des Wolkenschlauchs abgetastet hatten – und dies schon von den ersten Stadien der Tornadobildung an. „Das erlaubte uns eine Analyse des Tornado- Entstehungsprozesses, wie sie zuvor noch nie möglich war“, so die Forscher.
In Bodennähe statt oben
Das überraschende Ergebnis: Der Wolkenschlauch des Tornados wächst erst bis zum Grund, bevor er beginnt mit typischer Tornadostärke zu drehen. „In vielen Fällen entwickelt sich diese Rotation zuerst in Bodennähe oder aber gleichzeitig im gesamten Wolkenschlauch“, berichten Houser und ihr Team. Die Spitze des Wolkenschlauchs berührt dabei meist schon den Grund, bevor sich weiter oben die Rotation verstärkt.
„Das beleuchtet ein Missing Link in unserer Vorstellung der Tornadobildung. Denn die für diese Wirbelwinde typische Rotation war eindeutig zuerst nahe der Oberfläche präsent“, sagen die Forscher. „Das liefert uns klare Belege dafür, dass der Tornado sich ‚Bottom-Up‘ bildete – von unten nach oben.“ Kein einziger der fünf beobachteten Tornados sei dagegen „Top-Down“ entstanden, wie es die Theorie vorhersagt.
Wichtig für Tornadowarnungen
Die neuen Erkenntnisse sprechen nicht nur dafür, dass die gängige Theorie umgeschrieben werden muss. Sie ist auch für die Wettervorhersage und Katastrophenwarnung wichtig, wie die Wissenschaftler erklären. Denn bisher wird meist nur die Windgeschwindigkeit oben in der Wolkendecke als Warnzeichen und Maßstab für die potenzielle Bedrohung durch einen Tornado herangezogen. Wenn dieser aber schon vorher unten mit Tornado-Windstärke rotiert, kann es für eine Warnung schon zu spät sein. (Meeting of the American Geophysical Union, Washington D.C.)
Quelle: American Geophysical Union, Science