Widerspruch zur Theorie: Offenbar sind die Tropen keineswegs immer und überall eine Kohlendioxid-Senke, wie landläufig angenommen. Denn Teile des tropischen Afrikas haben zeitweise deutlich mehr CO2 freigesetzt als aufgenommen, wie nun Satellitendaten enthüllen. Das Ausmaß dieser Emissionen war 2015 und 2016 sogar so hoch, dass die Tropen insgesamt in ihrer CO2-Nettobilanz zur Treibhausgasschleuder wurden. Die Tropen sind damit weniger stabile CO2-Senken als gedacht.
Die tropischen Ökosysteme gehören zu den produktivsten der Erde. Immerhin rund ein Drittel der rund drei Billionen Bäume unseres Planeten wachsen dort. Sie nehmen große Mengen an CO2 auf und entziehen das Treibhausgas so der Atmosphäre. Deshalb galt die CO2-Nettobilanz der Tropenregionen bisher als negativ – sie nehmen mehr CO2 auf als sie durch Rodung, Brände, Zersetzung von Pflanzenmaterial oder Bodenerosion wieder abgeben. So jedenfalls die gängige Theorie.
CO2-Bilanz auf dem Prüfstand
Doch ob diese Annahme stimmt, war bisher unklar – es fehlte an umfassenden Daten. Deshalb haben Paul Palmer von der University of Edinburgh und seine Kollegen nun die globale Nettobilanz der Tropen mithilfe von zwei unabhängigen Satellitenmessreihen überprüft. Sie werteten die Daten des japanischen Greenhouse Gases Observing Satellite (GOSAT) und des Orbiting Carbon Observatory (OCO-2) der NASA für die Jahre 2015 und 2016 aus. Beide hatten die Konzentrationen von CO2 in der Luftsäule über verschiedenen tropischen Regionen gemessen.
Zusätzlich werteten die Forscher weitere Satellitendaten unter anderem zur Vegetationsentwicklung, saisonalen Photosyntheseaktivität und Feuern aus und nutzten ein Modell der Biosphären-Kohlenstoffströme. Aus der Kombination dieser Daten konnten die Forscher dann für die verschiedenen Tropenregionen der Erde ermitteln, wie viel CO2 in diesen beiden Jahren aufgenommen und abgegeben wurde.
Mehr Freisetzung als Aufnahme
Das überraschende Ergebnis: Entgegen den Erwartungen haben die tropischen Landflächen in den Jahren 2015 und 2016 deutlich mehr CO2 freigesetzt als aufgenommen. „Unsere Analyse der GOSAT- und OCO-2-Daten enthüllt, dass die terrestrischen Tropen eine jährliche Netto-CO2-Emission von 1,03 Billionen Kilogramm Kohlenstoff im Jahr 2015 und 1,60 Billionen Kilogramm Kohlenstoff im Jahr 2016 freigesetzt haben“, berichten Palmer und sein Team. Das sei deutlich mehr als a priori angenommen.
Die regionale Aufschlüsselung dieser Werte ergab allerdings, dass dies nicht für alle Tropengebiete gilt. Während Südamerika, das tropischen Australien und auch die asiatischen Tropen eine – wenn auch geringe – negative Nettobilanz aufwiesen, stach das tropische Afrika heraus. Denn mit einer Netto-Emission von 1,25 Billionen Kilogramm Kohlenstoff war es diese Region, die für einen Großteil der Treibhausgasemissionen sorgte.
CO2-Hotspots in Westafrika und Äthiopien
Aber warum? Die räumliche Aufschlüsselung ergab auch innerhalb der afrikanischen Tropen auffallende Unterschiede: „Die größte saisonale Aufnahme findet wie erwartet über dem Kongobecken statt“, berichten Palmer und sein Team. Die dichten Regenwälder dieser Region absorbieren demnach noch immer mehr CO2 als sie abgeben. Anders aber sah dies westlich und östlich dieses Gebiets aus: „Die größten Emissionen fanden wir über dem Westen Äthiopiens und über dem westlichen tropischen Afrika“, so die Forscher.
Könnte es dort vielleicht vermehrte Waldbrände gegeben haben? Die Verbrennung von Biomasse könnte die hohen CO2-Emissionen erklären. Tatsächlich ergaben die Daten, dass der CO2-Ausstoß dieser Regionen jeweils im März und April besonders hoch war und damit zu einer Zeit, wenn es dort am heißesten und trockensten ist. Doch ein Abgleich mit den Daten von Satelliten zur globalen Feuerüberwachung ergab, dass Feuer allein die hohen CO2-Emissionen des tropischen Afrika nicht erklären kann, wie die Forscher berichten.
Landnutzung und Dürren als Ursache?
Was aber ist es dann? Palmer und sein Team vermuten, dass eine verstärkte Trockenheit kombiniert mit Landnutzungsveränderungen für die Nettoabgabe von CO2 aus dem tropischen Westafrika und aus Äthiopien verantwortlich sein könnte. Denn begleitende Daten zeigen, dass es seit 2002 in diesen Regionen vermehrt Dürren gegeben hat. Zusammen mit einer Übernutzung der Böden und der damit verbundenen stärkeren Degradierung könnte dies nach Ansicht der Forscher erklären, warum sich diese Tropenregionen von CO2-Senken zu CO2-Schleudern gewandelt haben.
Noch sind dies allerdings Spekulationen. Ebenso wenig ist klar, ob dieser Wandel nur vorübergehend stattfand oder ob er sich bis heute fortsetzt – das müssen weitere Analysen zeigen. Die Ergebnisse demonstrieren jedoch, dass die Rolle der Tropen als globaler CO2-Senke möglicherweise weniger stabil und verlässlich ist als bisher angenommen. (Nature Communications, 2019; doi: 10.1038/s41467-019-11097-w)
Quelle: Nature Communications