Seltenes Wetterereignis? Der ehemalige Hurrikan „Ernesto“ hat den Atlantik überquert und zieht über Europa hinweg. Dadurch bringt das ursprünglich in der Karibik entstandene Sturmtief das hiesige Wetter durcheinander – es beschert uns erst Sturmböen, dann aber auch Hitze. Wie kommt es zu solchen Wetterphänomenen? Und welche Rolle spielt dafür der Klimawandel?
Bereits seit rund einer Woche zieht der Hurrikan „Ernesto“ über das Meer. Ausgehend von der Karibik zog der Wirbelsturm über Puerto Rico und die Jungferninseln weiter über den Atlantik zu den Bermudainseln und dann nordwärts entlang der Ostküste der USA und Kanadas. Dabei wurde der Sturm mehrfach zum Hurrikan hoch und wieder herabgestuft, je nach aktuellen Windgeschwindigkeiten. Regional brachte der Tropensturm Starkregen und Überschwemmungen sowie starke Meeresströmungen an den Küsten. Zudem stürzten Bäume um und es kam zu Stromausfällen.
Tropensturm bringt Wetter in Europa durcheinander
Seit Dienstag bewegt sich der ehemalige Tropensturm nun von Neufundland aus auf Europa zu und schiebt dabei warme Luft vor sich her, die Wind und Regen verstärken kann. Daher wird „Ernesto“ in den kommenden Tagen auch das hiesige Wetter beeinflussen. Prognosen zufolge wird der Tiefdruckwirbel den britischen Inseln bereits am Mittwochabend einen Sommersturm mit Orkanböen und Windstärken von bis zu 120 Kilometern pro Stunde bescheren. Anschließend wird das Tief weiter nach Skandinavien ziehen und sich dann auflösen.
Deutschland bekommt dank „Ernesto“ ebenfalls etwas mehr Wind an der Nordsee ab, aber vor allem eine Hitzewelle mit Temperaturen über 30 Grad am Donnerstag und Freitag. Denn durch den Sturm werden paradoxerweise auch mehr warme Luftmassen aus Spanien nach Deutschland gezogen. Hier stabilisiert sich durch den indirekten Effekt dann ein Hochdruckgebiet.
Klimawandel verstärkt Hurrikans
Doch wie ungewöhnlich ist das aktuelle Wetterphänomen? Hurrikans treten im Atlantik in der jährlichen Sturmsaison ab Juni regelmäßig auf und hinterlassen dabei häufig eine Spur der Verwüstung in Nord- und Mittelamerika sowie der Karibik. Für das Jahr 2024 erwartet die US-Behörde für Ozean- und Atmosphärenforschung (NOAA) allerdings eine außergewöhnliche Hurrikan-Saison, weil die Wassertemperaturen im Atlantik durch den Klimawandel überdurchschnittlich hoch sind.
Dadurch steht Hurrikans mehr Wasserdampf als „Treibstoff“ zur Verfügung; sie leben länger, werden stärker und häufiger. Immer öfter kommt es dadurch auch zu Superwirbelstürmen. Es gibt daher Überlegungen, die fünfstufige Skala für Hurrikans zu erweitern.
Einfluss der Tropen nimmt zu
Dass ein solcher Wirbelsturm aus den Tropen über den Atlantik wandert und als Tiefdruckgebiet die Westküsten Europas erreicht, kommt auch immer mal wieder vor – in etwa zehn Prozent der Fälle. Mit dem Klimawandel nimmt die Häufigkeit dieser Atlantik-Überquerer allerdings zu. Denn die globale Erwärmung macht Hurrikans intensiver und lenkt sie zudem vom Äquator aus weiter nach Norden, wo sie mit dem Jetstream in Kontakt kommen.
Statt sich wie sonst über dem kühleren Gewässer abzuschwächen und aufzulösen, erhalten die Stürme durch den Jetstream neuen Schwung und ziehen als außertropisches, starkes Sturmtief ostwärts weiter. „Nach ihrem Wandel zu extratropischen Stürmen können sie extreme Winde, Regenfälle und Wellen selbst in weit von den Tropen entfernte Regionen bringen“, sagt Elliott Sainsbury von der University of Reading. Aber wie bei „Ernesto“ können sich dadurch eben auch Hitzewellen und Hochdruckphasen in Mitteleuropa entwickeln, die sich aus südlichen Luftströmungen speisen.