Umwelt

Tschernobyl: Brände flammen wieder auf

Feuer in der Sperrzone re-mobiliseren radioaktive Kontamination

Tschernobylbrand
Diese Aufnahme des ESA-Satelliten Sentinel zeigt Rauch in unmittelbarer Nähe der Atomruine von Tschernobyl am 12. April 2020. © Copernicus Sentinel/ ESA

Kurz vor dem Jahrestag des Atomunfalls von Tschernobyl scheinen die Brände im Sperrgebiet noch immer nicht gelöscht. An drei Stellen sind die Feuer offenbar wieder aufgeflammt, wie Satellitenaufnahmen nahelegen. In den letzten zwei Wochen kamen die Brände der Atomruine von Tschernobyl bis auf einen Kilometer nahe. Ob der bis nach Kiew ziehende Rauch dieser Feuer radioaktiv kontaminiert sind, ist strittig.

Am 26. April 1986 ereignete sich im Atomkraftwerk Tschernobyl der bislang schwerste Atomunfall weltweit – der GAU. Durch ein fehlgeschlagenes Experiment explodierte der gesamte Reaktorblock 4. Zehn Tage lang strömten Plutonium und radioaktive Spaltprodukte nahezu ungehindert in die Atmosphäre, der Fallout reichte bis nach Europa. Seither ist die Sperrzone rund um die Atomruine mitsamt der Stadt Pripjat unbewohnbar, die Atomruine noch immer so radioaktiv, dass der Rückbau nur per Roboter erfolgen kann.

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Verbranntes Gebiet (orange) und aktive Feuer (rot) bis 12. April 2020 nahe der Atomruine von Tschernobyl. © Copernicus Sentinel/ ESA

Reaktivierter Fallout

Obwohl der Atomunfall inzwischen fast 34 Jahre zurückliegt, ist das Sperrgebiet rund um den Reaktor noch immer massiv radioaktiv verseucht. Schon vor einigen Jahren schätzten Forscher, dass  in den oberen Bodenschichten und im alten Laub des heute größtenteils bewaldeten Gebiets noch immer zwei bis acht Petabecquerel allein an radioaktivem Cäsium enthalten sind.

Das Problem: Die zunehmend häufigen Waldbrände im Sperrgebiet von Tschernobyl mobilisieren die dort lagernden Radionuklide. Bereits 2015 setzten Feuer dort so viel Cäsium-137 frei, dass die Menge rund acht Prozent des Fallouts nach dem Tschernobyl-Unfall entsprach, wie Forscher ermittelten. Aber auch langlebigere Radionuklide wurden vom Rauch aus der Sperrzone in bewohnte Gebiete getragen. In der ukrainischen Hauptstadt Kiew erhöhte sich dadurch die Strahlenbelastung um rund zehn Millisievert – das entspricht rund einem Prozent der erlaubten Jahresdosis.

Feuer flammen wieder auf

Aktuell brennt es erneut in der Sperrzone von Tschernobyl. Schon seit Anfang April kämpfen Feuerwehrleute gegen mehrere Feuer, einige kamen der Atomruine bis auf einen Kilometer nahe, wie auch Satellitendaten der Europäischen Weltraumagentur ESA nahelegen. Mehrere verlassene Dörfer in der Sperrzone brannten nieder. Die Angaben zur Ausdehnung der Brände gehen weit auseinander: ukrainische Behörden sprechen von rund 12.000 Hektar, Greenpeace von 48.000 Hektar.

Zwar sorgten Nebel und Regen vor einigen Tagen für ein Abklingen der meisten Brände, inzwischen scheinen aber zumindest einige Feuer wiederaufgeflammt zu sein, wie Satellitenaufnahmen der NASA und Medienberichte nahelegen. Demnach brennt es nördlich der ukrainischen Stadt Iwankiw an drei Stellen in der Sperrzone. Betroffen seien insgesamt etwa 1.800 Hektar stark kontaminierter Böden, so Greenpeace.

Auch an der Grenze zwischen der Ukraine und Weißrussland stünden 18.000 Hektar radioaktiv belastetes Gelände in Flammen. Inzwischen sollen die Brände auch den Rand der Stadt Pripjat erreicht haben, der dem Reaktor am nächsten gelegenen Stadt im Sperrgebiet.

Rauch bis nach Kiew

Der Rauch der Brände sowie vom Feuer aufgewirbelter Staub wurden vom Wind bis nach Kiew getrieben. Nach Angaben der Behörden liegt die radioaktive Kontamination dieses Rauchs zwar unter den Grenzwerten. Allerdings empfahlen sie den Bewohnern der Stadt, sich möglichst drinnen aufzuhalten. Verlässliche Daten darüber, wie viel Radionuklide die Brände aufgewirbelt haben, gibt es bislang nicht.

Für die Feuerwehrleute, die in der Sperrzone gegen die Feuer kämpfen, besteht jedoch durchaus akute Gefahr der Verstrahlung. Unbestätigten Berichten zufolge sollen einige bereits unter Nasenbluten leiden – einem frühen Symptom der Strahlenkrankheit. „Diese Feuer zeigen, dass ein Atomunfall auch nach Jahrzehnten eine gesundheitliche Gefahr darstellt“, sagt Heinz Smital, Atomphysiker von Greenpeace.

Inzwischen hat auch Deutschland Hilfe angeboten. Laut Tagesschau sollen Feuerwehrschläuche, ein für Waldbrände ausgelegtes Tanklöschfahrzeug und Dosimeter in die Ukraine gebracht werden.

Quelle; Greenpeace, Tagesschau, Daily Signal

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