Der Tsunami, der im September 2009 Samoa traf, wurde nicht von einem, sondern von drei fast gleichzeitigen Starkbeben ausgelöst. Wie Forscher jetzt in „Nature“ berichten, war dabei die übliche Abfolge umgekehrt: zwei tiefen „Megathrust“-Beben ging ein flaches Plattenrandbeben voraus. Dieser bisher noch nicht beobachtete Mechanismus könnte erklären, warum Starkbeben in dieser Gegend besonders häufig Tsunamis auslösen.
Am 29. September 2009 ereignete sich an der Plattengrenze von Pazifischer und Australischer Platte vor Samoa ein schweres Erdbeben der Magnitude 8,1. Das Epizentrum lag am nördlichen Ende der Tonga-Subduktionszone, die als eine der aktivsten der Erde gilt. Die ruckartige Bewegung des Untergrunds löste einen Tsunami aus, der auf Samoa und in benachbarten Inselstaaten schwere Schäden hinterließ und mehr als hundert Todesopfer forderte. Schon kurz nach dem Beben hatten Seismologen den Tsunami vorhergesagt und auch seine Laufzeiten und Amplituden berechnet. Doch als die Flutwelle dann schließlich kam, wichen die real gemessenen Werte in nahezu allen Parametern von den prognostizierten ab.
Nicht ein, sondern drei Beben als Auslöser
Woher diese Diskrepanz kam, haben jetzt gleich drei internationale Forschergruppen aufgeklärt. Für ihre Studie werteten die Seismologen unter anderem Seismogramme, GPS-Daten und Tsunamimodelle aus. Die Daten belegen, dass damals nicht nur ein, sondern drei nahezu gleichzeitig auftretende Beben der Auslöser für den Tsunami waren: ein Beben im Bereich der Pazifischen Platte östlich der Plattengrenze, sowie zwei so genannte Megathrust-Beben direkt in der Subduktionszone.
Als „Thrust“-Beben werden die Erschütterungen bezeichnet, die entstehen, wenn sich die beiden in einer Subduktionszone kollidierenden Platten ruckartig gegeneinander verschieben. Meist brechen dabei Verhakungen im Gestein und lassen die beiden übereinander liegenden Platten abrupt ein Stück aufeinander zu rutschen. Viele andere Beben sind so genannte „Outer rise“-Beben. Sie werden durch Spannungen im Untergrund noch vor der eigentlichen Zone der Subduktion ausgelöst, meist dort, wo sich die subduzierte Platte gerade erst beginnt nach unten zu wölben. Viele dieser „Außenrand“-Erdbeben werden durch vorhergehende Megathrust-Starkbeben getriggert, ein umgekehrter Fall war bisher jedoch nicht bekannt.
„Zuerst dachten wir, es war nur ein Beben“, erklärt Keith Koper, Leiter der Seismographenstation an der Universität von Utah. „Aber als wir uns die Daten anschauten zeigte sich, dass hier drei große Beben innerhalb von nur zwei Minuten aufeinanderfolgten. Die beiden Erdbeben, die durch das erste verdeckt worden waren, waren letztlich diejenigen, die für den größten Schaden und den Tsunami verantwortlich waren.“ Der „Doppelschlag“ erzeugte komplexere Erschütterungsmuster im Untergrund und veränderte daher auch die Parameter des Tsunami.
Ablauf umgekehrt: Außenkante vor Megathrust
Doch nicht nur das: Eine Forschergruppe um Thorne Lay von der Universität von Kalifornien in Santa Cruz berichtet in einer zweiten, ebenfalls in dieser „Nature“-Ausgabe erschienenen Studie, dass das Außenkanten-Beben den beiden „Megathrust“-Beben sogar vorausging. Wie sie anhand von seismologischen Daten zeigen, wurde damit der bisher als „normal“ betrachtete Ablauf: „erst Megathrust, dann Außenrand“, hier sogar komplett umgekehrt. Das Erdbeben am Rand der abtauchenden Platte triggerte den plötzlichen Versatz und damit die Beben in der Tiefe der Subduktionszone.
„Dies ist das erste Mal, dass belegt wurde, dass ein starkes normal-verwerfendes Erdbeben starke Thrust-Beben auslösen kann“, erklärt Koper. Das erste Beben hatte die Magnitude 8,1 und hielt rund 60 Sekunden an, so zeigen die Messungen. 49 bis 89 Sekunden nach Beginn des ersten startete das zweite Beben mit der Magnitude 7,8, unmittelbar gefolgt von dritten, das 90 bis 130 Sekunden nach dem ersten begann.
Nach Ansicht der Wissenschaftler könnte dieser Erdbebenmechanismus die Ursache für viele der von Tsunamis gefolgten Erdbeben in der Tonga-Subduktionszone darstellen. „Es könnte noch weitaus mehr Interaktionen zwischen Erdbeben geben als wir bisher begreifen“, erklärt Lay. „Diese komplexen Zusammenhänge zu studieren ist daher essenziell für unser Verständnis dafür, wie Erdbeben entstehen, wie sie wechselwirken und wie wir ihre Auswirkungen auf Menschen minimieren können.“
(Nature/ University of Utah/NSF, 19.08.2010 – NPO)