Ob in der Tiefsee, an kochendheißen Quellen oder sogar im dunklen Inneren der Erde – für den Menschen ist das Überleben an solchen Extremstandorten kaum möglich. Doch einige Mikroben und Vielzeller scheinen sich bei über 100 °C oder mehr als dem 250-fachen Atmosphärendruck erst so richtig wohlzufühlen. Die Erforschung dieser Überlebenskünstler steht zwar noch am Anfang, doch schon jetzt scheint klar: Sie könnten sowohl in der Medizin als auch in der Wirtschaft von großem Nutzen sein.
In vielen Lebensräumen, die lange Zeit für lebensfeindlich gehalten wurden, haben Wissenschaftler in den letzten Jahren den Nachweis für die Existenz von Leben erbracht. Doch was ist überhaupt ein extremer Lebensraum? Als Beispiele hierfür sind die Tiefsee, heiße Quellen, Geysire oder die arktischen und antarktischen Polarzonen zu nennen, die durch physikalische Extreme wie besondere Druck- und Temperaturbedingungen geprägt sind. Weiterhin beinhalten sie chemische Extreme, die sich zum Beispiel durch große Trockenheit, hohe Salzgehalte, hohe Säure- oder Basekonzentrationen oder sauerstoffarme Bedingungen auszeichnen. Dies betrifft vor allem Wüsten, Salzseen, ebenso heiße Quellen sowie der an freiem Sauerstoff verarmte tiefe Untergrund der Erde.
Spezialisten fürs Extreme
Organismen, die diese Lebensräume bewohnen, werden als Extremophile bezeichnet, was sich aus dem griechischen Wort „philos“ für liebend ableitet und sich in etwa mit „das Außergewöhnliche liebend“ übersetzen lässt. Die überwiegende Anzahl der Extremophilen sind Mikroorganismen – also Einzeller. Es gibt aber auch einige Vielzeller unter ihnen, wie beispielsweise die Himalajamücke oder den antarktischen Krill. Je nach dem Hauptmerkmal ihres bevorzugten Lebensraums werden sie als Thermophile (Temperaturen höher als 60 °C), Psychrophile (Temperaturen niedriger als 15 °C), Halophile (hohe Salzkonzentrationen), Alkaliphile (Basenkonzentrationen höher als pH 9), Acidophile (Säurekonzentrationen niedriger als pH 3) und Piezophile (hohe Drücke) bezeichnet, um nur einige der Kategorien zu nennen.
Das Wort liebend trifft jedoch nicht auf alle Organismen in den extremen Habitaten zu. Denn nicht alle finden dort ihre optimalen Wachstumsbedingungen, sondern sind schlichtweg Überlebende. Sie tolerieren bestimmte Bedingungen besser als andere und können sich dadurch eine Nische erobern – allerdings würden sie unter anderen Bedingungen wesentlich besser gedeihen. Solche Organismen werden daher als Tolerante bezeichnet. Doch wie schaffen es die Organismen, sich an die extremen Lebensbedingungen anzupassen?
Schutz der Zellstrukturen
Um ihre Zellen zu schützen und ihre Zellmechanismen aufrechtzuerhalten, haben sie eine Vielzahl von Mechanismen entwickelt. So werden Proteine und DNA Stränge in thermophilen Organismen durch besondere strukturelle Veränderungen vor der Zersetzung bei erhöhten Temperaturen geschützt. Ein anderer Aspekt ist die Verdichtung der Zellmembranen bei erhöhtem Umgebungsdruck. Eine Verfestigung wirkt sich dabei extrem nachteilig auf lebensnotwendige Austauschprozesse der Zelle mit der Umgebung aus.
Auch die Biogeochemiker am GeoForschungsZentrum Potsdam beschäftigen sich mit der Anpassung von Zellmembranen von Organismen aus dem tiefen Untergrund der Erde auf den zunehmenden Umgebungsdruck in der Tiefe. Sie konnten zeigen, dass die unter Hochdruckbedingungen lebenden Organismen einen höheren Anteil von Membranbestandteilen mit einem höheren Raumbedarf in die Zellmembranen einbauen. Dies führt zu einer Auflockerung der Membranen und wirkt damit dem erhöhten Umgebungsdruck entgegen.
Leben auf dem Mars?
Doch neben der rein wissenschaftlichen Neugier treibt die Wissenschaftler zusätzlich die Suche nach Leben auf anderen Planeten an. Mögen zum Beispiel die Lebensbedingungen auf der Oberfläche des Mars auch zu lebensfeindlich für ein Leben sein, wie wir es kennen, so könnte doch unterhalb der Marsoberfläche eine Lebenswelt existieren, die mit der tiefen Biosphäre der Erde vergleichbar ist. Nach heutigem Stand der Wissenschaft scheint zumindest flüssiges Wasser eine unabdingbare Vorraussetzung für Leben zu sein. Das kürzliche Auffinden von Eiskappen auf dem Mars deutet dabei auf die mögliche Existenz von flüssigem Wasser im Untergrund hin. Ebenso wird vermutet, dass der Jupitermond Europa unterhalb einer dicken Eisschicht einen Ozean aufweist. Ein von der Sonnenenergie abgekoppeltes Leben wie an den heißen Quellen der Tiefsee ist dort durchaus denkbar.
Die Erforschung der Extremophilen weckt aber auch ökonomische Interessen. Neue Naturstoffe und die Organismen selbst sind für die Agrarwirtschaft, chemische Industrie, Biotechnologie, Medizin und mikrobiologische Sanierung von schadstoffbelasteten Arealen von großem Nutzen. Aber selbst wenn das Leben in extremen Habitaten bereits Gegenstand intensiver Forschung ist, steht die Entdeckung dieser faszinierenden neuen Lebenswelten gerade erst an ihrem Anfang.
Link
GFZ, Sektion 4.3: Organische Geochemie
(Kai Mangelsdorf, GFZ Potsdam, 05.04.2007 – AHE)