Verblüffende Entdeckung: Entgegen gängiger Lehrmeinung ist der Ozean nicht die Hauptquelle für den berühmten Nebel der Namibwüste. Stattdessen stammt mehr als die Hälfte des Wassers in Nebel und Tau aus dem Boden und dem Grundwasser, wie eine Studie enthüllt. Sie zeigt auch: Die vom Küstennebel versorgte Fläche der Namib schrumpft – und das hat Folgen für Flora und Fauna der Küstenwüste, so die Forscher im Fachmagazin „Science Advances“.
Die Wüste Namib ist nicht nur eine der ältesten und größten Sandwüsten der Erde. Sie gilt auch als Paradebeispiel für eine Küstenwüste: Der kalte Benguelastrom vor der Südwestküste Afrikas verhindert die Bildung von Regenwolken und macht das Küstengebiet dadurch extrem trocken und regenarm.
Einzige Wasserquelle für die meisten Pflanzen und Tiere der Namibwüste ist der häufige Nebel in dieser Wüste und in geringerem Maße morgendlicher Tau. Gängiger Lehrmeinung nach stammt das Wasser aus diesem Nebel vom nahen Meer – feuchte Luft zieht von der Küste aus landeinwärts und kondensiert in der Nacht und in den kühlen Morgenstunden zu Nebel.
Isotope verraten Nebelherkunft
Doch woher der Nebel tatsächlich kommt, haben nun Lixin Wang von der Purdue University in Indianapolis und seine Kollegen erstmals genauer untersucht. Für ihre Studie nahmen sie Nebel- und Tauproben, sowie Wasserproben aus Meer, Regen, Grundwasser und einem zeitweise wasserführenden Fluss in der Namib.
Diese Wasserproben analysierten die Forscher auf ihre Gehalte der drei Sauerstoff-Isotope O-16, O-17 und O-18 hin. Weil sich deren Verhältnis bei verschiedenen Wasserquellen deutlich unterscheidet, lässt sich durch den Vergleich ermitteln, aus welcher Quelle der Nebel und Tau der Namibwüste stammen.
Grundwasser statt Ozean
Das überraschende Ergebnis: Entgegen bisheriger Annahme ist der Ozean nicht der einzige Wasserlieferant für den Nebel der Namib. Nur knapp 40 Prozent der Nebeltröpfchen wird durch Feuchtigkeit aus dem nahen Atlantik erzeugt. „Das ist überraschend, weil unser Probengebiet nahe an der Küste lag und wir es daher für stark durch den Küstennebel beeinflusst hielten“, sagen die Forscher.
Stattdessen stammt mehr als die Hälfte des Nebels in der Namibwüste aus lokalen Quellen – aus Grundwasser und dem von den oberen Bodenschichten abgegebenen Wasser. Die spärliche Wüstenvegetation fördert dieses Wasser aus tieferen Schichten an die Oberfläche, wo es dann verdunstet und bei Abkühlung der Luft zu Nebel werden kann.
Der Nebel aus lokalen Quellen sammelt sich vor allem in Senken und entlang ausgetrockneter Flussbetten, wie die Wissenschaftler berichten. So stammte ein Teil der Feuchtigkeit im Probenareal aus dem Gebiet des Kuiseb, einem zeitweilig ausgetrockneten Fluss im Namib-Gebiet. „Demnach könnte das Grundwasser alluvialer Aquifere einen viel größeren Einfluss haben als oft für Trockengebiete angenommen“, konstatieren Wang und seine Kollegen.
Rückzug des Küstennebels
Und noch etwas stellten die Forscher fest: Das Gebiet, das in der Namib vor allem durch den Küstennebel mit Wasser versorgt wird, schrumpft. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Küstennebel sich heute schon vor der 60-Kilometer-Grenze auflöst, die früher das Ende der Nebelzone im Inland markierte“, berichten Wang und seine Kollegen.
Ursache dieses Rückzugs könnten ihrer Ansicht nach die durch den Klimawandel gestiegenen Temperaturen sein. „Die wärmere Luft erhöht die Bodentemperaturen und kann zu einem Rückgang der relativen Luftfeuchtigkeit um bis zu 20 Prozent führen“, so die Forscher. Das wiederum verringert die Chance, dass die Feuchtigkeit kondensiert und sich Nebel und Tau bilden.
Folgen für die Bewohner der Wüste
Für die Flora und Fauna der Namibwüste könnte der Rückzug des Küstennebels schwerwiegende Folgen haben. Denn während der vom Meer kommende Küstennebel relativ großflächig und regelmäßig auftritt, ist der Nebel aus lokalen Quellen räumlich und zeitlich variabler – und damit eine weitaus weniger zuverlässige Wasserquelle für Pflanzen und Tiere. Die Käfer, die auf den Dünenkämmen Wasser sammeln, kommen schon heute weniger weit im Inland vor als früher.
„Genau zu wissen, woher Nebel und Tau stammen, hilft uns dabei vorherzusagen, wie sich die Wasserverfügbarkeit in der Namib und anderer regenarmer Gebiete entwickeln wird“, sagt Wang. „Gleichzeitig könnte dies neue Wege aufzeigen, neue Wasserquelle in Trockengebieten zu erschließen.“ (Science Advances, 2017; doi: 10.1126/sciadv.1603131)
(Indiana University/ Purdue University, 23.03.2017 – NPO)