Geowissen

Unsere Erde ist dunkler geworden

Sinkende Albedo hat den Erdschein in den letzten 20 Jahren um 0,5 Prozent verringert

Erde
Unsere Erde strahlt heute weniger Sonnenlicht ins All zurück als noch vor 20 Jahren – aber warum? © NASA

Rätselhafter Effekt: Vom All aus gesehen leuchtet die Erde heute weniger hell als noch vor 20 Jahren. Sie reflektiert im Schnitt rund 0,5 Prozent weniger Sonnenlicht, wie astronomische Messungen des Erdscheins und Satellitendaten enthüllen. Mögliche Ursache dieser verringerten Albedo könnte die Erwärmung der Ozeane und die dadurch verursachte Ausdünnung heller, tiefhängender Meereswolken sein, vermuten die Forscher. Ob aber natürliche oder anthropogene Ursachen dahinterstehen, ist unklar.

Die Erde wirft rund 30 Prozent des einfallenden kurzwelligen Sonnenlichts in All zurück. Dieses Licht lässt unseren Planeten vom Weltraum aus leichtend blau-weiß erscheinen und reicht sogar aus, um die uns zugewandte dunkle Seite des Neumondes leicht aufzuhellen. Die Helligkeit dieses Erdscheins hängt vor allem von der Wolkendecke des Planeten ab und auch von der Eis- und Schneebedeckung. Weil auf der Nordhalbkugel mehr Land liegt und diese Faktoren dort stärker im Lauf der Jahreszeiten variieren, ist die irdische Albedo im Nordwinter höher als im Sommer.

Erdschein
Erdschein: Das von der Erde reflektierte Licht erhellt die uns zugewandte Seite des Mondes. © NASA

Erdschein und Albedo im Blick

Doch unter diesen vom Wetter und den Jahreszeiten abhängigen Schwankungen verbirgt sich offenbar ein langfristigerer Trend, wie nun Messungen von Philip Goode vom New Jersey Institute of Technology und seinem Team enthüllen. Für ihre Studie hatten sie Daten des Big Bear Solar Observatory in Kalifornien ausgewertet, das seit 1998 regelmäßig den vom Mond vor und nach Neumond zurückgeworfenen Erdschein misst. Zusätzlich nutzten sie Messdaten des CERES-Instruments der Aqua- und Terra-Erdbeobachtungssatelliten, die seit dem Jahr 2000 regelmäßig die Reflektivität der Erdoberfläche messen.

Um auch den Einfluss der Sonneinstrahlung erfassen zu können, wählten die Forscher für ihre Auswertungen einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren. „Die Sonne ist im Verlauf ihres elfjährigen Zyklus bei ihrem Aktivitätsmaximum im Schnitt um 0,1 Prozent heller als beim Minimum“, erklären Goode und seine Kollegen. Auch dies beeinflusst daher die Helligkeit des Erdscheins und wurde in die Analysen mit einbezogen.

0,5 Prozent dunkler in 20 Jahren

Das überraschende Ergebnis: Die Erde ist in den zwei Jahrzehnten dunkler geworden. Sie wirft heute im Schnitt 0,5 Prozent weniger Licht ins All zurück als noch vor 20 Jahren. „Den Erdschein-Daten zufolge ist die Albedo der Erde in dieser Zeit um 0,5 Watt pro Quadratmeter gesunken“, berichten die Wissenschaftler. Die Satellitendaten legen sogar eine noch stärkere Abnahme von 1,6 Watt pro Quadratmeter nahe.

„Dieser Abfall in der Albedo war eine Überraschung für uns“, sagt Goode. „Dabei ist auffallend, wie gut die interannuellen Erdschein-Anomalien mit denen von CERES übereinstimmen. Beide zeigen einen Abfall vor allem in den letzten Jahren, obwohl sie leicht unterschiedliche Bereiche der Erde abdecken“, erklären die Forscher.

Schwindende Meereswolken

Was aber ist die Ursache für den dunkler werdenden Erdschein? Naheliegend wäre die Vermutung dass sich in dieser Zeit die Sonneneinstrahlung geändert hat. Doch der Vergleich mit Sonnendaten ergab keine Korrelation der solaren Aktivität, der Sonnenfleckenmenge oder der Einstrahlung mit den Trends des Erdscheins. „Unsere Daten finden keine Hinweise darauf, dass die Sonnenaktivität in den letzten zwei Jahrzehnten einen direkten oder indirekten Einfluss auf die Reflektivität der Erde hatte“, schreiben Goode und seine Kollegen.

Stattdessen vermuten die Forscher terrestrische Ursachen für die abnehmende Albedo unseres Planeten, darunter die Eisbedeckung, aber auch langfristige Veränderungen der Meerestemperaturen. Denn aus früheren Studien ist bekannt, dass tiefliegende, helle Meereswolken über subtropischen Meeresbereichen 30 bis 60 Prozent der kurzwelligen Sonneneinstrahlung zurück ins All reflektieren. Damit spielen diese Meereswolken eine wichtige Rolle für die Klimaregulation und die irdische Albedo.

Natürliche Schwankung oder Klimawandel-Effekt?

Doch wie die CERES-Daten zeigen, haben gerade sich diese Wolken in den letzten Jahren ausgedünnt. Durch den Anstieg der Meerestemperaturen im östlichen Pazifik hat demnach die Wolkendecke vor allem vor den Westküsten von Nord- und Südamerika messbar abgenommen und mit ihnen auch die Albedo dieser Gebiete. „Bisher ist allerdings unklar, ob diese Veränderungen auf die interne Variabilität des Klimas zurückgehen oder ob sie Teil der Reaktionen auf externe Einflüsse sind“, konstatieren Goode und sein Team.

Theoretisch könnten sowohl der Klimawandel als auch natürliche Klima-Schwankungen wie die Pazifische Dekadische Oszillation (PDO) für die Erwärmung der Ozeanregionen und den Schwund der Meereswolken verantwortlich sein – oder auch beides. 2019 ergab eine Modellsimulation, dass stark steigende CO2-Werte und der damit verbundenen Klimawandel zu einer starken Ausdünnung der Meereswolken führen.

Rückwirkung auch aufs Klima

Sollte die Albedo der Erde weiter absinken, hätte dies in jedem Fall auch Folgen für das irdische Klima. Denn wenn weniger Sonnenlicht zurück in den Weltraum geworfen wird, bleibt mehr Energie im Erdsystem – und damit auch Wärme. Wenn daher durch abschmelzende Eisflächen, weniger Meereswolken und andere Effekte die Albedo tatsächlich längerfristig sinkt, könnte dies die Aufheizung des Klimas weiter verstärken.

„Das ist ziemlich besorgniserregend“, kommentiert der nicht an der Studie beteiligte Geowissenschaftler Edward Schwieterman von der University of California in Riverside. Denn lange habe man gehofft, dass eine wärmere Erde eher mehr helle Wolken und damit eine höhere Albedo haben würde – und damit einen gewissen Ausgleich für den anthropogenen Erwärmung. „Aber diese Ergebnisse legen nahe, dass das Gegenteil der Fall sein könnte“, so Schwieterman. (Geophysical Research Letters, 2021; doi: 10.1029/2021GL094888)

Quelle: American Geophysical Union

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