Heutige Menschen tragen nicht nur genetische Spuren des Neandertalers in sich. Unsere Vorfahren haben sich offenbar auch in Afrika mit anderen, urtümlicheren Menschenarten gekreuzt. Das haben Forscher jetzt anhand von Genanalysen afrikanischer Naturvölker festgestellt.
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„Die heutigen afrikanischen Populationen enthalten rund zwei Prozent genetischen Materials, das von einem archaischen Menschentyp stammt und vor rund 35.000 Jahren eingefügt wurde“, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“. Dieser urtümliche Menschentyp habe vermutlich noch nicht zum anatomisch modernen Menschen gehört. Beide Arten könnten sich stattdessen bereits vor rund 700.0000 Jahren auseinander entwickelt haben, wie die Forscher ermittelten.
Genetischer Austausch typisches Merkmal der menschlichen Evolution
Die Entdeckung dieser urzeitlichen Kreuzungen habe große Bedeutung auch für die Frage, wie unsere Vorfahren entstanden, sagen die Forscher. „Stammen die Gene des modernen Menschen nur von einer einzigen, isolierten Population? Oder kommen unserer Gene von verschiedenen Vorfahren, die in Afrika ganz unterschiedliche ökologische Nischen besetzten und in verschiedenen geografischen Regionen lebten?“ Bisher sei die Antwort auf diese Fragen offen gewesen.
Jetzt deute aber vieles daraufhin, dass der genetische Austausch zwischen äußerlich unterschiedlichen Menschenformen sogar ein typisches Merkmal der menschlichen Evolution gewesen sein könnte. „Die Hybridisierung könnte sogar eine Schlüsselrolle für die Neubildung einiger unserer einzigartig menschlichen Eigenschaften gespielt haben“, konstatieren Michael Hammer von der University of Arizona in Tucson und seine Kollegen.
Suche nach urtümlichen DNA-Abfolgen im Erbgut
Für ihre Vergleichsstudie wählten die Forscher 61 Gensequenzen aus den Bereichen des menschlichen Erbguts aus, die keine Bauanleitungen für Proteine enthalten. Diese nicht-kodierenden Bereiche gelten als besonders geeignet, um daran Veränderungen im Laufe der Evolution abzulesen. In ihnen sind häufig Genblöcke, die von den Vorfahren geerbt wurden, erhalten geblieben.
Die Wissenschaftler verglichen die genaue DNA-Abfolge dieser Sequenzen bei heute lebenden Angehörigen verschiedener afrikanischer Stämme, darunter den San-Buschleuten in Namibia, den nomadischen Biaka-Pygmäen in Zentralafrika und dem Bauernvolk der Mandenka im äquatorialen Westafrika. Dabei suchten die Forscher gezielt nach Genmustern, die in ihrer Struktur von der für den Homo sapiens typischen Abfolge abwichen.
In drei Kandidaten-Regionen habe man auffallende Abweichungen beobachtet, berichten die Forscher. Vor allem bei den sehr ursprünglichen Völkern der San und der Biaka seien diese Genvarianten, auch als Haplotypen bezeichnet, stark vertreten. „Wir vermuten, dass dieser ungewöhnliche Haplotyp von einem archaischen DNA-Segment abstammt, das durch Einkreuzung in die Population des anatomisch modernen Menschen gelangte“, schreiben Hammer und seine Kollegen.
Wer war der Paarungspartner unserer Vorfahren?
Aus den Funden ergibt sich die Frage, welcher „Vetter“ des anatomisch modernen Menschen als damaliger Paarungspartner unserer Vorfahren in Frage käme. „Trotz der nur sehr bruchstückenhaften Funde von Fossilien aus dieser Ära gibt es reichlich Kandidaten“, schreiben die Wissenschaftler.
Die ersten Fossilien von Menschen mit modernen Skelettmerkmalen stammten bereits aus der Zeit vor 200.000 Jahren. Dennoch habe es bis vor rund 35.000 auch Frühmenschen mit einer Kombination von archaischen und modernen Merkmalen in Afrika gegeben, sagen die Forscher. Das belegten Fossilfunde.
„Obwohl es zurzeit eine große Debatte darüber gibt, was dieses Mosaik-ähnliche Auftreten moderner Merkmale zu bedeuten hat, deuten unsere Belege daraufhin, dass auch lange getrennte Frühmenschengruppen damals offenbar Gene austauschten.“ Einer dieser Austauschereignisse habe sich in Zentralafrika ereignet, wie die Forscher anhand eines der drei Haplotypen feststellten. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2011)
(Proceedings of the National Academy of Sciences / dapd, 06.09.2011 – NPO)