Düstere Zukunft? Bisher gehen die meisten Klimaprognosen nur bis zum Jahr 2100, doch jetzt haben Forscher erstmals weiter in die Zukunft geblickt – bis ins Jahr 2500. Schafft die Menschheit das Zwei-Grad-Ziel nicht, dann wäre bis dahin der Amazonas eine Steppe, der mittlere Westen der USA tropisch und viele Nutzpflanzen könnten nur noch im hohen Norden angebaut werden. Ein Großteil der Menschheit wäre zudem gesundheitsschädlichen Hitzebelastungen ausgesetzt.
Das der Klimawandel unsere Lebenswelt nicht unbedingt zum Besseren wandelt, ist inzwischen klar ersichtlich. Die Spanne der schon jetzt spürbaren Klimafolgen reicht von zunehmenden Wetterextremen wie Dürren, Hitze und Starkregen über Stürme, Ernteausfälle und steigende Meeresspiegel bis hin zur Ausbreitung von invasiven Arten und Krankheitserregern.
Was passiert nach 2100?
Doch wie wird es weitergehen? Gängige Klimaprognosen reichen nur bis zum Jahr 2100, weil dies lange als ausreichend ferner Zeithorizont galt. „Aber inzwischen ist diese Marke nur noch eine Lebensspanne entfernt“, betonen Christopher Lyon von der McGill University in Quebec und seine Kollegen. Heute geborene Kinder werden diese Zeit bereits erleben. Gleichzeitig wissen wir heute, dass sich viele jetzt ausgelöste Veränderungen erst mit Verzögerung auswirken werden.
Durch die Trägheit des Klimasystems würde selbst ein sofortiger Stopp der CO2-Emmisionen den Treibhauseffekt erst Jahrzehnte später messbar senken, wie Modellstudien bereits gezeigt haben. Die Temperaturen könnten aber selbst dann Jahrhunderte hoch bleiben. Die Ozeane würden diesen Prognosen nach sogar im Laufe der nächsten Jahrhunderte sogar weiterhin wärmer werden, die Eiskappen weiter schmelzen und der Meeresspiegel ansteigen.
Prognose bis ins Jahr 2500
Was dies konkret für die Welt der Zukunft bedeutet, haben Lyon und seine Kollegen jetzt für das Jahr 2500 ermittelt. Dafür nutzten sie eine Version des britischen Atmosphären-Ozean-Modells HadCM3, das auch die Entwicklung der Landfläche und Vegetation beinhaltet. „Das HadCM3 ist in Bezug auf die Reaktion des Klimas auf externe Einflüsse repräsentativ, aber benötigt weniger Computerleistung als neuere Modelle“, erklärt das Team. Erst das machte es möglich, die Prognosen über einen so langen Zeitraum hinweg zu verlängern.
Die Forschenden ließen die Simulationen in drei gängigen Klimaszenarien laufen: einem effektiven, schnellen Klimaschutz mit Erreichung des Zwei-Grad-Zieles (RCP 2.6), einem mittleren Klimaschutz mit einer Erwärmung von 2,6 Grad (RCP 4.5) und einem eher schwachen Klimaschutz mit fast ungebremstem CO-Ausstoß bis 2100 (RCP 6.0). Im Fokus der Projektionen standen dabei die Temperaturen, die Veränderungen der Vegetation und die Folgen für die Landwirtschaft.
Massiver Wandel der irdischen Biome
Das Ergebnis: Ohne schnellen Klimaschutz werden sich die Bedingungen in den meisten Regionen der Erde bis zum Jahr 2500 drastisch verändern. Weil die Treibhausgaswerte in den Szenarien RCP4.5 und RCP6 erst im Jahr 2150 aufhören zu steigen, wird die Erwärmung sich noch über die nächsten Jahrhunderte fortsetzen. „Dies resultiert in einer tiefgreifenden Restrukturierung der globalen Biome bis 2500“, schreiben die Wissenschaftler. Die Klimazonen und mit ihnen die Vegetation vieler Regionen werde sich drastisch verändern.
Ein Beispiel ist der Amazonas-Regenwald: „Heute beherbergt er ein Drittel der bekannten Spezies und absorbiert rund sieben Prozent des anthropogenen CO2-Emissionen“, so das Team. Bis 2500 verändern sich Temperaturen und Niederschläge jedoch so stark, dass dort kein Tropenwald mehr wachsen kann.
„Klimabedingungen, Waldsterben und dessen positive Rückkopplungen werden den größten Teil des Amazonasbeckens in eine öde, karge Landschaft verwandeln“, berichten Lyon und seine Kollegen. „Menschliche Präsenz und Infrastrukturen gäbe dort angesichts der hohen Temperaturen und Trockenheit dann kaum noch.“
Hitzestress für einen Großteil der Bevölkerung
In vielen anderen Regionen könnte es bis 2500 so heiß werden, dass das Klima für Menschen kaum mehr erträglich ist. „Die Regionen, die heute schon Perioden extremer Hitzebelastung erleben, sind meist Wüstengebiete, aber auch der Indische Subkontinent und Teile des US-Südwestens sind betroffen“, erklären die Forschenden. Doch bis 2500 werden sich die Hitzezonen bis in die gemäßigten Breiten hinein ausdehnen.
Gleichzeitig wird sich die Dauer der heißen Phasen ausdehnen: Weite Teile Afrikas, Arabiens, Südostasiens, des Amazonasgebiets und des Nordens von Australien, die heute nur im Hochsommer einzelne Hitzeperioden erleben, werden dem Modell zufolge bis 2500 die Hälfte des Jahres extremen Hitzebelastungen ausgesetzt sein. Allein in Indien, in dem es schon heute jährlich tausende hitzebedingter Todesfälle gibt, werden sich die Sommertemperaturen noch einmal um vier Grad erhöhen. Dazu kommt verstärkter Starkregen durch einen intensiveren Monsun.
Im Extremfall könnte dies bedeuten, dass ein längerer Aufenthalt im Freien in diesen Gebieten nur noch mit spezieller Schutzausrüstung möglich wird. „Der landwirtschaftliche Freiland-Anbau würde dort dann vorwiegend von automatisierten Robotern übernommen“, schildern die Wissenschaftler mögliche Auswirkungen.
Anbaugebiete für Grundnahrungsmittel schrumpfen
Betroffen wäre auch die Nahrungsversorgung der Menschheit: Die für die zehn wichtigsten Grundnahrungsmittel geeigneten Anbauflächen würden bis 2500 durch die Klimaveränderungen um 15 bis 18 Prozent schrumpfen. So wichtige Kalorienlieferanten wie Kartoffeln, Süßkartoffeln, Weizen, Mais, Reis, Sojabohnen, Hirse oder Cassava könnten demnach knapp werden. Diese Ernteeinbußen würden sich nach 2100 noch einmal deutlich verschärfen.
„Zwischen 2100 und 2500 würde sich der Rückgang bei den tropischen Nutzpflanzen noch einmal fast verdoppeln. Bei den Pflanzen der gemäßigten Breiten würde sich die Lage sogar um das Sechsfache verschlechtern“, berichten Lyon und sein Team. Wird der Klimawandel dagegen auf unter zwei Grad Erwärmung begrenzt, schrumpfen die Anbaugebiete für die Nutzpflanzen der gemäßigten Breiten nur um 2,9 Prozent, für die tropischen Grundnahrungsmittel würden sie sogar um 2,9 Prozent wachsen.
Dazu kommen weitere Folgen: Wenn Felder nicht mehr bestellt werden können oder Wälder zu Steppen werden, dann verändert dies auch die Erosion und die Speicherungsfähigkeit der Böden für Wasser und CO2. Dies fördert weitere Veränderungen und Verkargungen der Landschaft, die Menschen ihre Lebensgrundlage rauben. Migration und Ressourcenkonflikte werden dadurch verstärkt.
Viele Gebiete nicht mehr lebensfreundlich
„Unsere Projektionen für die Welt jenseits des Jahres 2100 zeigen, dass sich ohne schnelle und signifikante Reduktionen der Treibhausgas-Emissionen weite Gebiete der Erde so verändern werden, dass sie für eine menschliche Besiedlung nicht mehr geeignet sind“, konstatieren Lyon und seine Kollegen. Aber das Zeitfenster, um eine solche Entwicklung noch zu verhindern, schließe sich rapide.
„Wir müssen daran denken, in welcher Welt unsere Kinder und Enkel künftig leben sollen und was wir jetzt tun können, um die Erde auch für sie lebensfreundlich zu erhalten“, betont Lyon. Wenn es nicht gelänge, die Ziele des Pariser Klimaabkommens einzuhalten, dann werde dies für viele Regionen der Erde einen drastischen Wandel bedeuten. (Global Change Biology, 2021; doi: 10.1111/gcb.15871)
Quelle: McGill University