Zerstörerisches Erbe: Als die spanischen Eroberer die Küste Perus erreichten, bedeutete dies nicht nur das Ende des Reichs der Inka. Die Entvölkerung der gesamten Region hat auch bleibende Spuren in der Landschaft hinterlassen, wie US-Forscher feststellten: Die Erosion nahm schlagartig zu, weil niemand mehr da war, der schützende Schichten aus Muschelschalen an den Dünen deponierte. Dies belegt, wie prägend schon frühe Kulturen in ihre Umwelt eingriffen – und zeigt, wie die Landschaft den Lauf der Geschichte widerspiegeln kann.
Das Jahr 1532 besiegelte das Schicksal der legendären Hochkultur der Inka: Die spanischen Konquistadoren unter Francisco Pizarro brachten den Menschen der Neuen Welt sowohl direkt als auch indirekt den Tod: Neben brutalen Morden dezimierten auch eingeschleppte Krankheiten die Bevölkerung. Genaue Zahlen liegen nicht vor, doch Schätzungen zufolge könnten im Inkareich vor der Ankunft der Spanier bis zu 15 Millionen Menschen gelebt haben. Am Ende des 16. Jahrhunderts waren es wahrscheinlich nur noch eine Million.
Rippenmuster am Meeressaum
Doch der Untergang eines ganzen Volkes wirkte sich nicht nur auf Mensch und Kultur aus, wie Daniel Belknap und Daniel Sandweiss von der University of Maine in Orono nun nachweisen. Auch in der Landschaft hinterließ der Schwund bleibende Spuren. Sichtbar wird dies an der Nordwest-Küste Perus, an der sogenannten Chira Beach-Ridge Plain. „Diese Region war die erste, die die Auswirkungen der Präsenz der Europäer zu spüren bekam“, erklären die Forscher.
Zur Zeit der Inka war diese Uferzone ein geologisch veränderliches und zugleich intensiv bewirtschaftetes Gebiet: Schwankungen des Meeresspiegels und Wettereignisse bildeten im Laufe der Zeit eine Reihe paralleler Sanddünen, abgelagert wurde hier vor allem Sediment des in der Nähe ins Meer mündenden Chira-Flusses. Im Laufe der letzten 5.100 entstand dadurch entlang der Küste ein Muster aus neun regelmäßigen, etwa 30 Kilometer langen Rippen.
Plötzliche Zunahme der Erosion
Nähere Untersuchungen haben nun jedoch einen klaren Bruch in der Abfolge dieser Rippen zutage gefördert: Obwohl die jüngsten Rippen eigentlich besser erhalten sein müssten als die älteren, sind sie weitaus stärker erodiert. Als Belknapp und Sandweiss sich die Zusammensetzung dieser Rippen anschauten, fanden sie auch den Grund dafür: Die vor 1532 entstandenen Rippen enthalten nicht nur Sand und Sediment, sondern auch dicke Schichten von leeren Muschelschalen. Diese tragen dazu bei, die Ablagerungen zu stabilisieren. Nach 1532 aber fehlen diese Schalenschichten – und das förderte die Erosion: „Kein sandiger Grat kann lange ohne diese Armierung bestehen bleiben“, so die Forscher
Was aber war der Grund für diesen plötzlichen Bruch? Nach Ansicht der Wissenschaftler kommen hier die Inka ins Spiel: Vor Ankunft der Konquistadoren lebten an der Küste zahlreiche Menschen, die sich vor allem von Muscheln ernährten. Reste von Feuerstellen und Lagerplätzen zeugen von der hohen Bevölkerungsdichte, wie die Forscher berichten. Die nach den Mahlzeiten übrig bleibenden Muschelschalen deponierten die Inka direkt am Meeresufer – auch, um die Dünen gegen die See zu befestigen.
Erbe der Eroberer
Doch nach 1532 endete diese Besiedelung. „Die letzte gut erhaltene Strandrippe entspricht in ihrem Alter der Zeit der spanischen Eroberung dieser Region“, berichten Belknapp und Sandweiss. Ihrer Ansicht nach spiegelt die Küstentopografie damit die Entvölkerung der Region direkt wider: Weil keine Inka mehr da waren, die Muschelschalen deponierten, erodierte auch die Küste in der Folgezeit stärker.
Im 18. und 19. Jahrhundert stieg die Bevölkerungsdichte zwar wieder an, doch die Menschen knüpften nicht mehr an die alten Gewohnheiten an: Die Muschelschalen wurden nun nicht mehr an der Küste deponiert, sondern die Küstenbewohner verkauften die Meeresfürchte im Landesinneren auf Märkten. Als Folge haben Wind und Meer in den letzten rund 500 Jahren wieder die Oberhand gewonnen – die Erosion der Strandrippen schreitet weiter voran. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2014; doi: 10.1073/pnas.1404568111)
(PNAS, 20.05.2014 – NPO)