Gigantisches Reservoir: Der in Mai 2018 entdeckte Ausbruch eines Unterseevulkans vor der Komoreninsel Mayotte war in vielfacher Hinsicht außergewöhnlich. Denn es handelt sich nicht nur um einen der größten Ausbrüche dieser Art – die Magmakammer unter dem Vulkan ist auch eine der tiefsten und größten bisher bekannten, wie die im Fachmagazin „Nature Geoscience“ veröffentlichte Rekonstruktion der Ereignisse enthüllt.
Vulkanausbrüche gehören zu den beeindruckendsten, aber auch gefährlichsten Naturereignissen der Welt. Erst Ende letzten Jahres starben beim Ausbruch des Vulkans von White Island vor der Küste Neuseelands mindestens neun Menschen. Doch aktive Vulkane gibt es auch auf dem Meeresgrund – und die Ausbrüche dieser submarinen Vulkane stehen denen an Land in nichts nach. Französische Forscher beobachteten im Jahr 2018 den Ausbruch eines Unterseevulkans vor der Küste der zu den Komoren gehörenden Insel Mayotte.
Entstehung des Unterwasservulkans in zwei Phasen
Seismologen um Simone Cesca vom GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ) haben nun rekonstruiert, wie dieser submarine Vulkan entstanden ist. Dazu analysierte das Team regionale und globale seismologischen Daten. Da es vor Ort am Meeresboden kein seismologisches Netzwerk gab, musste das Team dazu spezielle statistische Analysemethoden anwenden.
Die Auswertungen ergaben: Der Ausbruch des Unterwasservulkans vor Mayotte vollzog sich in zwei Phasen. Dabei wurde der Schwarm von tausenden, scheinbar tektonischen Beben im Mai 2018 in Wirklichkeit von Magma verursacht, das aus einer Kammer in 30 Kilometer Tiefe bis zum Meeresgrund aufstieg. Sobald sich ein offener Kanal vom Erdmantel bis zum Meeresboden gebildet hatte, begann das Magma, ungehindert auszufließen und einen neuen Unterwasservulkan zu bilden.
Ungewöhnliche Erdbeben-Signale
Doch ab Juni 2018 veränderten sich die von diesem Vulkan verursachten Bebenmuster: Es trat eine neue Form von Erdbebensignalen mit einer ungewöhnlich tiefen, nahezu monochromatischen Frequenz auf. Diese als Very Long Period (VLP)-Signale bezeichneten Wellen schwingen fast wie die Töne einer großen Glocke oder eines Basses. Allerdings waren diese 20 bis 30 Minuten langen Wellen so stark, dass sie in bis zu tausend Kilometern Entfernung aufgezeichnet werden konnten, so die Forscher.
Was aber verursachte diese ungewöhnlichen Bebenwellen? Aus früheren Forschungen ist bekannt, dass solche VLP-Signale durch Resonanzeffekte in der unterirdischen Magmakammer von Vulkanen entstehen können. Sie erlauben dadurch Rückschlüsse auf die Lage und Größe der Kammer: Je tiefer die Schwingungen sind, desto größer ist das Magmareservoir. Im Falle des Unterwasservulkans vor Mayotte jedoch waren diese Bebenwellen extrem tief und stark.
Tiefste und größte Magmakammer
Cesca und ihr Team schließen daraus, dass die Magmakammer unter dem Vulkan entsprechend groß sein muss: Ihren Berechnungen zufolge hat das Magmareservoir ein Volumen von 3,5 Kubikkilometern und hat einen Durchmesser von zehn bis 15 Kilometern. „Es handelt sich um das bis heute tiefste und größte Magmareservoir im oberen Erdmantel, das sich abrupt zu entleeren beginnt“, sagt Koautorin Eleonora Rivalta vom GFZ.
Die Forscher gehen davon aus, dass bei Ausbruch des Mayotte-Vulkans mindestens 1,3 Kubikkilometer Magma aus diesem Reservoir ausgetreten sind. Sie werten die von ihnen beobachten tieffrequenten Pulse sowie die Tatsache, dass sich die Insel Mayotte bereits um 20 Zentimeter gesenkt hat, als ein Zeichen für den Kollaps der Magmakammer. „Wir interpretieren die Bebenwellen als ein Zeichen des Zusammenbruchs der tiefen Magmakammer vor der Küste Mayottes“, so Rivalta.
Gefahr für die Insel Mayotte
Nach Aussage der Seismologen ist die vulkanische Aktivität vor Mayotte weiterhin kritisch zu sehen und sollte weiter beobachtet werden: „Da der Meeresboden etwa drei Kilometer unter der Wasseroberfläche liegt, hat von dem enormen Ausbruch fast niemand etwas mitbekommen“, sagt Seniorautor Torsten Dahm vom GFZ. „Allerdings gibt es bis heute auch mögliche Gefahren für die Insel Mayotte, da die Erdkruste über dem tief liegenden Reservoir weiter einbrechen und dabei stärkere Erdbeben auslösen könnte.“ (Nature Geoscience, 2019; doi: 10.1038/s41561-019-0505-5)
Quelle: Helmholtz-Zentrum Potsdam – Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ