Paläontologie

Urpferdchen: Blätter und Blüten als „Henkers-Mahlzeit“

Forscher kommen Ernährung und Verhalten der Tiere auf die Spur

Mikroskopische Aufnahmen, die über die Details des Mageninhalts des Urpferdchens Auskunft geben. © Geiseltalmuseum

Wissenschaftlern ist es gelungen, die „Henkers-Mahlzeit“ des rund 50 Millionen Jahre alten Urpferdchens aus dem Geiseltal zu rekonstruieren. Danach standen bei den Tieren damals vor allem Blätter und Blüten auf der Speisekarte. Die Forscher berichten über ihre Ergebnisse in der Springer Fachzeitschrift „Palaeobiodiversity and Palaeoenvironments“.

Aufschluss über die letzten Stunden eines Lebewesens können kriminaltechnisch-forensische Untersuchungen geben. Damit vergleichbar sind die paläontologischen Forschungen der Wissenschaftler Volker Wilde vom Forschungsinstitut und Naturmuseum Senckenberg und Meinolf Hellmund (Geiseltalmuseum, Universität Halle-Wittenberg). Sie erforschten die letzte Mahlzeit eines der Urpferde aus dem Geiseltal.

Ernährungsbiologie der Urpferde enträtselt

Der glückliche Umstand einer in der Geiseltalsammlung nach 75 Jahren wieder aufgefundenen und bislang noch nicht untersuchten Probe aus den 1930er Jahren gab den Forschern dabei detaillierten Aufschluss über die Ernährungsbiologie und das Verhalten dieser frühen Vertreter der Pferdeartigen beim Nahrungserwerb.

„Die folivore Ernährung, das heißt das Fressen von Laubblättern, stand bei diesen Säugetieren demnach ganz im Vordergrund“, sagt Hellmund. Ein Schwerpunkt der letzten Mahlzeit bestand aus Blättern von tropischen Verwandten der heutigen Mistel- und Heidekrautgewächse. Entsprechende Pollen deuten darauf hin, dass offenbar auch die Blüten von Heidekrautgewächsen nicht verschmäht wurden. Die erwähnten Laubblätter konnten aufgrund der guten Erhaltung von Strukturen der Blatthaut, darunter insbesondere die charakteristischen, dem Gasaustausch dienenden Spaltöffnungen – so genannte Stomata – bestimmt werden.

Das nahezu vollständige Skelett eines Urpferdchens (Propalaeotherium isselanum) stammt aus der Oberen Mittelkohle des Geiseltals (Geiseltalmuseum Halle, Inv.-Nr. Ce IV-7011), rechts: untersuchte Braunkohlenprobe (Mageninhalt) © Geiseltalmuseum

Quarzkörnchen als „Beifang“

Zum Nahrungsspektrum zählten nach den Ergebnissen der Wissenschaftler aber auch kleine, ovale Samenkörner, die jedoch erhaltungsbedingt noch nicht näher spezifiziert werden können, so Wilde. Typisch für einen „Mageninhalt“ ist auch der „Beifang“, der beispielsweise durch Wühlen in heruntergefallenem Blattwerk des Urwaldes unabsichtlich mit aufgenommen wurde. Er besteht aus kleinen kantigen Quarzkörnchen, die ebenfalls zweifelsfrei erkennbar sind.

Damit zeigt sich – und das ändert die bisherige Auffassung von der „Speisekarte“ dieser Tiere –, dass die „Urpferdchen“ beim Nahrungserwerb eher opportunistisch als gezielt vorgingen, so die Wissenschaftler. Sie ernährten sich dabei ausschließlich vegetarisch und überwiegend von weicher Blattnahrung, wobei sie auch frisches zu Boden gefallenes Laub nutzten.

Fundort des Urpferdchens im Tagebau Cecilie © Archiv Geiseltalmuseum

Moderne Pferde mit vergrößerten Kauflächen

Dies steht in klarer Beziehung zur Morphologie ihres Gebisses. Das heißt, die Kronen der „Seitenzähne“, insbesondere der Backenzähne, bestehen bei den „Urpferdchen“ aus Höckern und sehr wirksamen Schneidekanten. Dies ist nach Angaben der Forscher ein fundamentaler Unterschied zu den heutigen, modernen Pferden, bei denen die überwiegende Grasnahrung unter anderem zu einer morphologisch veränderten und vergrößerten Kaufläche geführt hat.

(idw – Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 04.06.2010 – DLO)

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