Geowissen

Ursuppe: Blitze als Phosphorbringer?

Bei Blitzeinschlägen erzeugtes Gesteinsglas könnte Phosphor für das erste Leben geliefert haben

Blitze
Blitzeinschläge könnten auf der Urerde den Phosphor für die ersten Lebensformen geliefert haben. © mdesigner125/ iStock.com

Funke des Lebens: Blitze könnten den ersten irdischen Lebensformen die entscheidende Zutat geliefert haben – Phosphor. Denn Blitzeinschläge können den im Gestein gebundenen Phosphor in lösliche und damit bioverfügbare Phosphorverbindungen umwandeln, wie eine Studie belegt. Auf der frühen Erde könnten jährlich bis zu 10.000 Kilogramm solcher Verbindungen durch Blitze entstanden sein – genug, um erste Lebensprozesse in Gang zu bringen, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“ berichten.

Wie sich einst die ersten Lebensformen bildeten, ist noch immer ungeklärt: Woher erhielten sie ihre Grundbausteine? Und was lieferte die Energie für die chemischen Reaktionen? Schon in den 1950er-Jahren demonstrierte der US-Chemiker Stanley Miller in seinem berühmten Experiment, dass Blitze die Bildung von Aminosäuren gefördert haben könnten. Seither haben weitere Studien gezeigt, dass Blitze auch die Synthese des Erbmoleküls RNA katalysieren können.

Fulgurit
Bei einem Blitzeinschlag entstandenes Gesteinsglas (Fulgurit). © Stephen Moshier/ Wheaton College

Woher kam der Phosphor?

Doch die Synthese entscheidender Biomoleküle wie DNA, RNA oder den Energielieferanten ATP kann nur dann stattfinden, wenn ein Rohstoff ausreichend vorhanden ist: Phosphor. Ausgerechnet dieser könnte auf der Urerde aber knapp gewesen sein. Denn in der Erdkruste liegt das Element größtenteils als unlösliches Phosphat in Mineralen wie Apatit gebunden vor – für Zellen und Lebewesen ist dieser Phosphor nicht direkt nutzbar.

Woher aber bekam dann das erste Leben seinen Phosphor? Eine Möglichkeit wären Meteoriten: Sie könnten neben Wasser und Lebensbausteinen auch lösliche, reduzierte Phosphorverbindungen auf die junge Erde gebracht haben. Denn in ihnen kommt das Mineral Schreibersit ((Fe,Ni)3P) vor, ein Eisen-Nickel-Phosphid. „Schreibersit ist eine allgemein akzeptierte Phosphor-Quelle für die terrestrische Biosynthese essenzieller organischer Phosphatmoleküle“, erklären Benjamin Hess von der Yale University und seine Kollegen.

Von Blitzen erzeugtes Gesteinsglas als Phosphorquelle

Doch statt der Meteoriten postuliert das Forscherteam eine andere Schreibersit-Quelle für die Urerde: das bei Blitzeinschlägen entstehende Gesteinsglas Fulgurit. Diese oft verästelten, braunen bis schwärzlichen Gebilde entstehen, wenn der Blitz in den Boden fährt und das Gestein entlang des Blitzkanals schmilzt und wieder erstarrt. Anhand von chemischen Analysen solcher Fulgurite belegen Hess und sein Team nun, dass diese auch das Mineral Schreibersit enthalten können.

Konkret stellten die Wissenschaftler fest, dass die Hitze des Blitzeinschlags in Anwesenheit von kohlenstoffhaltigem Boden lösliche Phosphorverbindungen entstehen lässt. Vor allem in den poröseren Randschichten des Fulgurits können durch diese Reaktionen bis zu 55 Prozent des Phosphors zu Phosphiden reduziert werden. „In Folge dessen schätzen wir, dass in den 25 Kilogramm von uns gesammelten Fulguriten zwischen 60 und 172 Gramm Schreibersit gebildet wurden“, berichten Hess und sein Team.

Fulgurite
Die von Hess und seinem Team untersuchten Fulgurit-Proben. © Benjamin Hess

Bis zu 10.000 Kilo bioverfügbares Phosphor pro Jahr

Was aber bedeutet dies für die „Ursuppe“? Wie viel lösliches Phosphor in Form von Schreibersit damals durch Blitze entstanden sein könnte, haben die Forscher mithilfe eines Modells ermittelt. Auf der junge Erden blitzte es demnach wegen der anderen Atmosphärenzusammensetzung noch deutlich häufiger als heute – im Schnitt ein bis fünf Milliarden Mal pro Jahr. Von diesen Blitzen könnten zwischen 100 Millionen und eine Milliarde jährlich in den Erdboden eingeschlagen sein.

„Wir gehen nun davon aus, dass zwischen fünf bis zehn Prozent der Fulgurit-bildenden Blitzeinschläge stark reduzierend wirkten und zehn bis 20 Prozent des Phosphors im Gesteinsglas zu Phosphiden reduzierten“, erklären die Forscher. Dann hätten die Blitze zwischen zehn und 10.000 Kilogramm lösliche Phosphorverbindungen erzeugt – jedes Jahr seit Auftauchen der ersten Landmassen unseres Planeten. Und das sei eine konservative Schätzung, wie Hess und sein Team betonen.

„Entscheidend für die Entstehung irdischen Lebens“

Bis zur Entstehung der ersten Lebensformen vor rund 3,5 Milliarden Jahren wäre so eine große Menge an biologisch verfügbarem Phosphor entstanden. Etwa zu diesem Zeitpunkt war zudem die Einschlagsrate von Meteoriten so stark abgesunken, dass die Fulgurite mehr löslichen Phosphor lieferten als die Einschläge, wie die Forscher erklären. „Das machte den durch Blitzschläge reduzierten Phosphor entscheidend für die Entstehung des irdischen Lebens“, so Hess und seine Kollegen. (Nature Communications, 2021; doi: 10.1038/s41467-021-21849-2)

Quelle: Nature, Yale University

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