Evolution

Ursuppe war heiß und sauer

Wiedererweckte Urzeit-Enzyme geben Aufschluss über Bedingungen vor Milliarden von Jahren

Biomoleküle in der Ursuppe © MMCD

Das Leben auf der frühen Erde könnte in einem ziemlich heißen und sauren Milieu entstanden sein. Die Rekonstruktion von vorzeitlichen Enzymen mittels gentechnischer Methoden zeigt, dass diese unter Bedingungen effektiv und stabil arbeiten, die ihre heutigen Nachfahren nicht mehr tolerieren würden. Die jetzt in „Nature Structural & Molecular Biology” veröffentlichte Studie belegt zudem, dass solche molekularen Rekonstruktionen wertvolle Hinweise auf vergangene Lebenswelten liefern können.

Welche Bedingungen herrschten in den ersten Milliarden Jahren nach der Entstehung unseres Planeten? Diese Frage ist bisher nur in Teilen geklärt. Da es damals noch kein Leben gab, fehlen Fossilfunde, Gesteins- und Isotopenanalysen ergeben nur ein unvollständiges Bild. Jetzt aber hat ein amerikanisch-spanisches Forscherteam neue Einblicke mit Hilfe „molekularer Fossilien“ gewonnen. Sie analysierten und rekonstruierten dafür bestimmte Enzyme, die bis heute in allen großen Gruppen des Lebens vertreten sind und deren Ursprung vermutlich bis zu vier Milliarden Jahre zurückreicht.

Ausgangspunkt Enzym-Stammbaum

Für ihre Studie wählten die Forscher sieben so genannte Thioredoxin-Enzyme aus, diese sind unter anderem wichtige Gegenspieler von Oxidationsprozessen in der Zelle. Für diese Enzyme konstruierten sie eine Art „Familienstammbaum“ und verglichen deren kodierenden Gensequenzen bei Archäen, Bakterien und in den Zellen mehrzelliger Tiere. Mit Hilfe von Computerberechnungen rekonstruierten sie dann daraus den „gemeinsamen Vorfahren“, die Enzymsequenzen, die höchstwahrscheinlich vor mehreren Milliarden Jahren vorkamen und bauten diese Sequenzen in Escherischia coli Bakterien ein.

Urzeit-Enzym in heutigem Bakterium wiedererweckt

Tatsächlich produzierten die Bakterien daraufhin die urzeitlichen Enzymvarianten, so dass diese nun in Bezug auf ihre Temperatur- und pH-Toleranz, ihre Effektivität und chemische Funktionsweise direkt untersucht werden konnten. „Indem wir diese Proteine wiederauferwecken, können wir wertvolle Informationen über die Anpassungen von ausgestorbenen Lebensformen an klimatische, ökologische und physiologische Veränderungen gewinnen, die nicht durch die Auswertung von Fossilien enthüllt werden kann“, erklärt Eric Gaucher vom Georgia Institute of Technology.

Eric Gaucher untersucht die Aktivität der rekonstruierten Enzyme © Georgia Tech/ Gary Meek

32 Grad heißer und viel saurer

Die Tests unter anderem mit Hilfe von Rasterkraftmikroskopen ergaben, dass die Enzyme umso besser mit extremeren Bedingungen zurechtkamen, je früher in der Evolution sie vermutlich entstanden. So vertrugen die präkambrischen Formen noch Temperaturen, die um 32 Grad Celsius über der Maximalgrenze ihrer heutigen Nachfahren lagen ohne Probleme. Je älter die rekonstruierte Enzymvariante war, desto stabiler gegenüber Hitze war sie auch. Ähnliche Ergebnisse brachten auch die pH-Tests: Im Gegensatz zu heutigen Thioredoxin-Enzymen funktionierten die urzeitlichen Enzyme noch ohne Probleme auch in sauren Umgebungen.

„Diese Studie belegt, dass eine Gruppe von verbreiteten Proteinen in einer heißen, sauren Umwelt arbeitete“, erklärt Gaucher. „Das unterstützt die Ansicht, dass sich die Umwelt erst allmählich abkühlte und in der Zeit von vor vier Milliarden Jahren bis vor rund 500 Millionen Jahren langsam alkalischer wurde.“ Die Studie zeigt nach Ansicht der Forscher auch, dass Methoden der experimentellen Rekonstruktion von urzeitlichen Proteinen kombiniert mit Einzelmolekülanalysen gut geeignet sind, um Einblicke in Ursprung und Entwicklung der Lebenswelt der Erde zu erhalten. Die Wissenschaftler wollen ihre Methoden nun auch an anderen Enzymen austesten. (Nature Structure & Molecular Biology, 2011; DOI: 10.1038/nsmb.2020)

(Georgia Institute of Technology, 11.04.2011 – NPO)

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