Zeitkapsel des Urozeans: In einer Kalksteinformation des indischen Himalaya haben Forscher Einschlüsse mit 600 Millionen Jahre alten Wasserresten entdeckt – Relikte des damals in dieser Region liegenden Urmeeres. Die Analysen des Urzeitwassers und der umgebenden Minerale geben Einblick in eine Umbruchszeit der Erdgeschichte. Denn zu jener Zeit endete die „Schneeball Erde“-Kälteperiode und die Atmosphäre erlebte eine zweite große Sauerstoffanreicherung. Dies schuf die Voraussetzung für die rasante Entwicklung erster mehrzelliger Lebensformen.
Vor 720 bis 635 Millionen Jahren durchlebte die Erde eine Reihe ausgedehnter, möglicherweise sogar globaler Vereisungen – diese Eiszeitphasen des Cryogeniums sind auch als Schneeball Erde bekannt. Als das Klima anschließend wieder wärmer wurde, bahnte sich ein bedeutender Wandel an: Die Erdatmosphäre erhielt einen zweiten großen Sauerstoffschub und dies schuf die Voraussetzungen für die Entstehung der ersten Mehrzeller – die Lebenswelt des Ediacariums.

Vom Urmeer in den Himalaya
Doch was verursachte den zweiten großen Sauerstoffschub unseres Planeten? Hinweise darauf könnten nun winzige Einschlüsse urzeitlichen Meerwassers in Kalkmineralen aus jener Zeit liefern. Entdeckt hat sie ein Team um Prakash Chandra Arya vom Indischen Institut für Wissenschaften in Bengaluru in einer Region, die heute weit von jedem Meer entfernt liegt – im Kumau-Himalaya. Dieser Teil des Gebirges liegt im äußersten Norden Indiens und grenzt an Nepal.
In diesem Teil des Himalaya treten dicke Gesteinsformationen aus Kalkstein und Dolomit zutage, die rund 650 bis 543 Millionen Jahre alt sind und damit genau aus der Umbruchszeit des Neoproterozoikums stammen. Die Karbonatschichten zeugen davon, dass in dieser Region einst ein Ozean lag. Noch wichtiger jedoch: „Karbonate, die häufigsten marinen Sedimentgesteine, sind meistens zu feinkörnig, um Einschlüsse des Paläoozeans aufzuweisen, aber der Himalaya-Magnesit ist eine seltene Ausnahme“, erklären Arya und seine Kollegen.