Ökologie

Versteckter Hunger: Fast die Hälfte der Menschheit ist bedroht

Alarmierender Nährstoffmangel in Entwicklungsländern und Industrienationen

Bis zu drei Milliarden Menschen – fast die Hälfte der Menschheit – leiden an Mangelernährung, so die aktuelle Schätzung eines Ernährungsexperten: Sie erhalten zu wenig Vitamine und Nährstoffe, weil sie zu wenig oder zu einseitige Nahrung zu sich nehmen. Dies betrifft sowohl Industrie- als auch Entwicklungsländer.

Nahrungssicherung bedeutet einerseits genug zu essen und damit eine ausreichende Kalorienzufuhr für jeden Menschen, andererseits aber auch eine ausreichende Qualität der Ernährung, also die Versorgung mit allen unverzichtbaren Stoffen wie Vitaminen oder Spurenelementen in ausreichender Menge und Kontinuität. Doch genau an letzterem hapert es ebenso stark wie an dem sichtbaren Hunger, erklärte der Stuttgarter Ernährungsmediziner Prof. Hans Konrad Biesalski am Wochenende bei der Tagung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte (GDNÄ) in Dresden.

Nährstoffmangel mit schwerwiegenden Folgen

Während am sichtbaren Hunger etwa eine Milliarde Menschen leiden und dieser durch dramatische Bilder von ausgemergelten Kindern mit aufgeblähtem Bäuchen Schlagzeilen macht, ist die Mangelernährung ein „versteckter Hunger“. Von diesem „versteckten Hunger“ – der mangelnden Versorgung mit den lebenswichtigen Nährstoffen – seien heute nicht nur Menschen in den Entwicklungsländern, sondern auch in den Industrienationen betroffen. Die Folgen dieses Nährstoffmangels, betonte Biesalski, sind ebenso schwerwiegend wie die des sichtbaren Hungers: Erhöhte Kindersterblichkeit, Entwicklungsstörungen, Taubheit, und erhöhte Anfälligkeit für Infektionen.

Da vor allem Kinder betroffen sind, so der Stuttgarter Wissenschaftler, sei der „versteckte Hunger“ in

Entwicklungsländern ein ebenso gravierendes Hemmnis für ihre wirtschaftliche Entwicklung, wie Armut und Kalorienmangel. Bisherige Aktionen gegen den „versteckten Hunger“ haben nach Meinung des Forschers bisher wenig Erfolg gezeigt, da sie die essentiellen Nährstoffe oft nur kurzzeitig ersetzten, aber nicht den chronischen Mangel beheben. Die Zahl der Hungernden werde daher in Zukunft weiter zunehmen, wenn nicht Maßnahmen getroffen werden, die sowohl die Menge als auch die Qualität verbessern.

Gentechnik als Ausweg?

Er forderte nachhaltige Programme, die vor Ort für nährstoffreiche Nahrungsmittel sorgen. „Hier sind die unterschiedlichsten Ansätze gefragt, zu denen auch die Gentechnologie gehört, da klassische Züchtungsverfahren bisher keine Erfolge gezeigt haben, wenn es etwa darum geht, Reis- und Hirsesorten mit hohem Gehalt an Mikronährstoffen herzustellen.“

Als Beispiel nannte der Göttinger Agrarwirtschaftler Professor Matin Qaim bei der GDNÄ-Tagung den „Goldenen Reis“, gentechnisch hergestellter Reis, der mit ß-Karotin angereichert ist, einer Vorstufe des lebenswichtigen Vitamin A. Inzwischen reiche die Anreicherung im Reis aus, um die Menschen vollständig zu versorgen. Vitamin A-Mangel trägt ganz wesentlich zum versteckten Hunger in Asien bei. Hier könne „Goldener Reis“ als Grundnahrungsmittel Abhilfe schaffen, zumal die Industrie inzwischen auch auf Lizenzzahlungen auf ihre Patente verzichtet habe.

(Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte, 20.09.2010 – NPO)

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