Kein Kontinentrest: Neue Analysen widerlegen frühere Annahmen zu einem der weltweit größten Unterwasser-Hochplateaus. Demnach ist der gut 600 Kilometer breite Rio-Grande-Rücken im Südatlantik kein Mikrokontinent, sondern vulkanischen Ursprungs, wie der Nachweis typischer Vulkangesteine in dieser Formation belegt. Das submarine Plateau entstand demnach durch Magma, das beim Auseinanderdriften von Südamerika und Afrika nach oben quoll.
Hochebenen unter Wasser: Am Grund der Ozeane gibt es einige Plateaus, die bis zu 4.000 Meter höher liegen als der umliegende Meeresgrund. Obwohl sich diese submarinen Hochplateaus und Rücken auf den ersten Blick ähneln, kann ihr Ursprung jedoch sehr unterschiedlich sein: Einige, wie das Kerguelen-Plateau im Indischen Ozean, gehen auf anhaltende vulkanische Aktivität zurück. Andere hingegen, wie der umstrittene Lomonossov-Rücken im Arktischen Ozean oder ein Plateau rund um Mauritius, bestehen aus kontinentaler Kruste und gelten daher als Reste versunkener Mikrokontiente.
Wie entstand der Rio-Grande-Rücken?
Umstritten war hingegen bisher, wie der Rio-Grande-Rücken entstanden ist. Diese grob v-förmige Unterwasser-Hochebene liegt vor der Küste Brasiliens im Südatlantik. Mit einem Durchmesser von rund 600 KiIometern ist sie eines der größten submarinen Plateaus weltweit. Doch über ihren Ursprung herrscht Uneinigkeit: Eine Theorie führt das Plateau auf starke vulkanische Aktivität bei der Öffnung des Südatlantiks zurück, ein anderes Modell sieht in ihm hingegen einen Kontinentrest, der beim Auseinanderbrechen Südamerikas und Afrikas zurückblieb.
Um mehr Klarheit zu schaffen, haben Patrick Hoyer von der Universität Erlangen und seine Kollegen im Frühjahr 2019 eine Expedition zum Rio Grande Rise unternommen. Von Bord des deutschen Forschungsschiffes „Maria S. Merian“ aus nahmen sie verschiedene Untersuchungen des submarinen Bergmassivs vor. Neben seismischen Messungen zur Bestimmung der Krustendicke entnahmen sie auch an mehr als 40 Standorten Gesteinsproben aus verschiedenen Tiefen und analysierten sie auf ihre Zusammensetzung hin.
„Die Klärung dieser Frage ist nicht nur von wissenschaftlichem Interesse, sondern hat auch politische Bedeutung“, erklärt Hoyer Kollege Karsten Haase. „Denn Unterwasserplateaus, die Teil eines Kontinents sind, zählen nicht zu den internationalen Gewässern, sondern zum Hoheitsgebiet des jeweiligen Küstenstaates.“
Gesteine sprechen für vulkanischen Ursprung
Das Ergebnis: „Wir konnten die typischen Vulkangesteine identifizieren – vor allem Basalte, aber auch Phonolite“, berichtet Hoyer. Diese vulkanischen Gesteine zeigten in ihrer Zusammensetzung zudem Ähnlichkeiten zu einer Kette von Untersee-Vulkanen, die sich nordwestlich des submarinen Hochplateaus bis vor die Küste Südamerikas erstreckt. „Das könnte darauf hindeuten, dass die Lavas des Rio-Grande-Rückens mit dieser vulkanischen Aktivität in Verbindung stehen“, schreibt das Team.
Ein weiteres Indiz: Vor der Küste Namibias liegt ein weiteres Plateau, der Walfischrücken, dessen vulkanischer Ursprung bereits durch Bohrkerndaten eindeutig nachgewiesen wurde. Schon länger wird vermutet, dass beide einst einen gemeinsamen Rücken bildeten, der durch die Kontinentdrift auseinandergerissen wurde. „Alle Daten, besonders aber die Form beider Rücken, deuten darauf hin, dass der Rio-Grande-Rücken infolge der Plattenverschiebungen vom Walfischrücken getrennt wurde“, sagt Hoyers Kollege Karsten Haase.
Kein Kontinentrest
Nach Ansicht der Forschenden sprechen ihre Ergebnisse damit klar dafür, dass der Rio-Grande-Rücken kein Kontinentrest ist, sondern vulkanischen Ursprungs. Das Hochplateau entstand demnach beim Auseinanderdriften Südamerikas und Afrikas vor etwa 50 Millionen Jahren durch einen vulkanischen Hotspot – eine Zone, in der besonders heißes Magma aus dem tiefen Erdmantel aufsteigt und zu starker vulkanischer Aktivität führt.
Wann genau das Rio Grande Rise entstand, wollen die Forschenden nun in einem auf zwei Jahre angelegten Folgeprojekt ermitteln. Unter anderem werden sie darin den radioaktiven Zerfall des in den Gesteinsproben enthaltenen Kaliums zu Argon messen. „Über den Argon-Anteil im Gestein können wir recht zuverlässig auf das Alter der Funde schließen“, erklärt Hoyer. Das könnte helfen, die genaue Entstehungszeit des submarinen Hochplateaus zu ermitteln. (Communications Earth & Environment, 2022; doi: 10.1038/s43247-022-00349-1)
Quelle: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg