Paläontologie

Vögel doch nicht Nachfahren der Dinos?

Neue Funde zur Lungenfunktion rütteln an den Grundfesten der Vogelevolution

Vögel gelten als die Nachfahren von kleinen, zweibeinig laufenden Dinosauriern – so jedenfalls die etablierte Lehrmeinung. Jetzt aber greifen amerikanische Forscher diese Basis der Vogelevolution an. Im „Journal of Morphology“ postulieren sie, dass sich Lungenfunktion und Oberschenkelanatomie von Dinos und Vögeln dermaßen fundamental unterscheiden, dass es sich ihrer Meinung nach nur um eine parallele Entwicklung handeln könne. Allenfalls habe es einen gemeinsamen Vorfahren beider gegeben.

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Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass der Femur, der Oberschenkelknochen der Vögel, relativ fest sitzt und die Vögel damit zu „Knieläufern“ macht: Im Gegensatz zu den meisten anderen Landtieren findet die Hauptbewegung im Unterschenkel und Fuß statt. Menschen, Elefanten, Hunde und in der Vergangenheit auch die Dinosaurier besaßen dagegen einen beweglichen Oberschenkelknochen. Jetzt erst entdeckten Wissenschaftler der Oregon State Universität um den Zoologieprofessor John Ruben, warum der Vogel hier so stark abweicht: Knochen und Muskulatur der Oberschenkelregion werden gebraucht, um die Luftsack-ähnliche Lunge der Vögel vor dem Kollabieren zu bewahren.

Lungen: Groß aber instabil

Die warmblütigen Vögel benötigen rund 20 Mal mehr Sauerstoff als kaltblütige Reptilien. Um entsprechend für Nachschub sorgen zu können, entwickelten sie eine einzigartige Lungenstruktur, die besonders hohe Austauschraten und hohe Aktivitätsniveaus ermöglicht. Gleichzeitig aber ist dieser große, abdominale Luftsack relativ instabil.

„Das ist fundamental für die Physiologie der Vögel“, erklärt Devon Quick, Zoologe der Oregon State Universität. „Es ist wirklich seltsam, dass das bisher niemandem aufgefallen ist. Die Position der Schenkelknochen und Muskeln in den Vögeln ist entscheidend für ihre Lungenfunktion und erst diese gibt ihnen ausreichen Lungenkapazität für den Flug.“

Vögel keine Nachfahren der Dinos?

Brisant wird das Ganze, weil die Forscher aus dieser Erkenntnis schließen, dass die Vögel sich nicht aus theropoden Dinosauriern wie dem Tyrannosaurus oder den Raptoren entwickelt haben können. Damit allerdings greifen sie eines der etabliertesten Dogmen der Paläontologie an. Ihrer Ansicht nach weisen die jüngsten Ergebnisse eher auf eine separate Evolution hin, im Zuge der die Vogelvorfahren ihre typischen Charakteristika wie Federn, Flügel, Lungen und Lokomotion entwickelten.

„Einem Velociraptor sind nicht einfach zu einem Zeitpunkt Federn gewachsen und dann hob er ab und flog in den Sonnenuntergang“, so Ruben. „Eine der Hauptgründe, warum Wissenschaftler immer wieder Vögel als Nachfahren der Dinosaurier einordneten waren Ähnlichkeiten in ihren Lungen. Aber theropode Dinos besaßen einen beweglichen Femur und konnten daher gar keine Lunge besitzen, die so wie die der Vögel arbeitete. Ihr Abdominalsack, wenn sie denn einen hatten, wäre kollabiert.

Damit wird einer der kritischen Stützen des Dinosaurier-Vogel-Links der Boden entzogen. Die Forscher zitieren zudem als weiteres Argument, dass es Funde von fossilen Vögeln gibt, die älter sind als die Dinosaurier, von denen sie eigentlich abstammen sollen. „Das ist ein ziemlich großes Problem“, so Ruben. „Und es gibt noch andere Inkonsistenzen in den Vogel-Dino-Theorien.“

Thecodont als gemeinsamer Vorfahre?

Dennoch bestreiten die Wissenschaftler keineswegs, dass es deutliche Ähnlichkeiten zwischen Vögeln und Dinosauriern gibt und halten es durchaus für Wahrscheinlich, dass beide einen gemeinsamen Vorfahren teilen. So könnten sich die Thecodonten, kleine Reptilien die Millionen Jahre vor den Dinosauriern lebten, sich parallel sowohl in Dinosauriers als auch in Krokodile und Vögel entwickelt haben.

„Wir behaupten nicht, dass Dinosaurier und Vögel nicht einen gemeinsamen Vorfahren irgendwann in der Vergangenheit hatten“, so Quick. „Das ist gut möglich und in der Evolution die Regel. Es scheint aber jetzt klar, dass die Vögel sich die ganze Zeit bereits auf ihrem eigenen Weg entwickelten und nicht direkt von den theropoden Dinosauriern abstammen, die Millionen Jahre später lebten.“

Kontroverse vorprogrammiert

Dass diese neue Sichtweise sehr umstritten ist und für Kontroversen sorgen wird, dessen sind sich die Forscher durchaus bewusst. Sie kontern aber mit dem Hinweis darauf, dass alte Theorien immer dann besonders schwer aufgegeben werden, wenn sie einige der auffallendsten und am meisten romantisch verklärten Arten der Erdgeschichte beinhalten.

„In einigen Museen wird die Vogel-aus Dino-Theorie als Fakt dargestellt, mit höchstens einem kleinen Sternchen und dem mikroskopisch kleinen Hinweis, dass einige Forscher anderer Meinung sind“, so Ruben. „Jetzt nehmen die Sternchen zu. Das ist Teil des wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses.“ Wie tragfähig aber die neue Theorie der beiden Forscher ist, wird sich noch zeigen müssen.

(Oregon State University, 10.06.2009 – NPO)

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