Geowissen

Island: Vulkan-Areal könnte Jahrzehnte aktiv bleiben

Großes Magmareservoir unter der Reykjanes-Halbinsel entdeckt

Ausbruch am Fagradalsfjall im Juli 2023. Vulkanologen und Geochemiker bereiten sich darauf vor, Lavaproben zu nehmen.
Ausbruch am Fagradalsfjall im Juli 2023. Vulkanologen und Geochemiker bereiten sich darauf vor, Lavaproben zu nehmen. © Valentin Troll

Geologische Zeitenwende: Die Vulkanausbrüche auf der Reykjanes-Halbinsel im Südwesten Islands werden wohl so bald nicht aufhören – die feurigen Lava-Eruptionen könnten noch Jahrzehnte anhalten. Denn unter der Halbinsel liegt eine große Magmakammer, aus der sich alle jüngsten Ausbrüche speisten, wie Vulkanologen anhand von Gesteinsanalysen ermittelt haben. Sie mahnen nun zu besseren Vorsichtsmaßnahmen, um Anwohner und kritische Infrastruktur in der Gegend zu schützen.

Unter Island driften zwei tektonische Erdplatten auseinander: die Nordamerikanische und die Eurasische Platte. Ihre Nahtstelle, der Mittelatlantische Rücken, verläuft quer durch die Insel, unter anderem durch die Halbinsel Reykjanes im Südwesten Islands, und bringt stetig neues geschmolzenes Gestein aus dem heißen Erdinneren an die Oberfläche. Erdbeben und Vulkanausbrüche sind daher auf Island und insbesondere entlang der Plattenkante keine Seltenheit. Im Schnitt kommt es alle drei bis fünf Jahre zu einem Ausbruch.

Auf der Reykjanes-Halbinsel hatte es 800 Jahre lang keine größeren Eruptionen gegeben, doch seit 2021 folgten gleich acht Eruptionen kurz hintereinander– zuletzt im Mai 2024. Dabei bildete sich an verschiedenen Stellen im Umfeld der Berge Svartsengi, Fagradalsfjall und Krýsuvík jeweils ein kilometerlanger Spalt in der Erde, aus dem Lavafontänen aufstiegen und Lavaströme abflossen. Der nahegelegene Küstenort Grindavik wurde wegen der Ausbrüche schließlich Ende 2023 evakuiert. Rund um kritische Infrastruktur wie Straßen und ein Kraftwerk wurden zudem Dämme errichtet, die die Lava ableiten sollen.

Hauptkegel des Sundhnúkur-Ausbruchs 2024
Der Hauptkegel des Sundhnúkur-Ausbruchs 2024. © L. Krmíček / CC BY

Spurensuche im Vulkangestein

Ein Forschungsteam um Valentin Troll von der Universität Uppsala in Schweden hat diese ungewöhnliche Eruptionsserie nun genauer untersucht. Dafür werteten die Geowissenschaftler seismische Daten von den Erdbeben aus, die die Ausbrüche jeweils begleiteten, und führten geochemische Analysen von Gesteinsproben aus verschiedenen Ausbrüchen auf der Halbinsel durch. Unter anderem verglichen sie dabei das Muster an Spurenelementen und Sauerstoff-Isotopen in der ausgetretenen Lava und Tephra.

Zudem verglich das Team die Merkmale dieser Eruptionen mit denen historischer Ereignisse. „Die Studie verwendet Informationen aus lokalen Erdbeben und geochemische Daten über das ausgebrochene Magma im Laufe der Zeit, um die geologischen Prozesse hinter diesen jüngsten isländischen Ausbrüchen aufzudecken“, erklärt Troll.

Nahaufnahme von Lava bei der Sundhnúkur-Eruption 2024
Lava bei der Sundhnúkur-Eruption 2024.© L. Krmíček / CC BY

Alle Ausbrüche kamen aus demselben Magmareservoir

Dabei entdeckten Troll und seine Kollegen, dass unter den Ausbruchstellen auf der Halbinsel nicht mehrere kleine, sondern ein großes Magmafeld liegt. Die verschiedenen magmahaltigen Kammern und Gänge in der Erdkruste sind demnach miteinander verbunden. Sie bilden ein verzweigtes Reservoir, das etwa neun bis zwölf Kilometer unter dem Berg Fagradalsfjall liegt, wie das Team berichtet. Dies sei auch die gemeinsame Quelle für alle Ausbrüche seit 2021, wie die ähnliche Zusammensetzung der Gesteinsproben belege.

Anders als befürchtet liegt dieses Reservoir allerdings relativ weit oben, in der Erdkruste statt im Erdmantel, und erstreckt sich nicht über die gesamte Halbinsel, sondern nur über eine etwa zehn mal fünf Kilometer weite Zone, wie die Vulkanologen ermittelten. Die Lage, Häufigkeit und Intensität der Eruptionen legt dennoch nahe, dass die Region weiterhin seismisch aktiv ist und die Ausbruchsstellen stetig aus den tieferen Schichten des Reservoirs nachgefüllt werden, wie das Team berichtet.

Eruptionsserie könnte Jahrzehnte dauern

Die Ausbruchsserie ist demnach noch nicht beendet, sondern fängt gerade erst richtig an. Dabei können immer wieder große Mengen Lava in die Luft katapultiert werden. Troll und seine Kollegen gehen davon aus, dass die Halbinsel noch einige Jahrzehnte von wiederkehrenden Vulkanausbrüchen in Form von Spalteneruptionen betroffen sein wird.

„Ein Vergleich dieser Ausbrüche mit historischen Ereignissen liefert starke Beweise dafür, dass Island sich darauf vorbereiten muss, dass diese vulkanische Episode noch einige Zeit, möglicherweise sogar Jahre oder Jahrzehnte, andauern wird“, sagt Troll. Denn auch vor der nun beendeten fast 800 Jahre langen Ruhephase gab es bereits eine aktive Phase, die Jahrhunderte dauerte. Ähnliches könnte nun wieder bevorstehen.

Wann, wo und wie lange die Eruptionen genau auftreten werden, lässt sich allerdings nicht vorhersagen. „Die Natur ist nie regelmäßig“, sagt Koautor Ilya Bindeman von der University of Oregon. „Wir wissen nicht, wie lange und wie oft es in den nächsten zehn oder sogar hundert Jahren so weitergehen wird. Es wird ein Muster entstehen, aber die Natur hat immer Ausnahmen und Unregelmäßigkeiten.“

Luftaufnahme des Litli-Hrútur-Ausbruchs im Sommer 2023
Der Litli-Hrútur-Ausbruch im Sommer 2023. © V.R. Troll / CC BY

Folgen für Bewohner, Infrastruktur und Tourismus

Die Erkenntnisse haben Folgen für alle Menschen, die auf der Reykjanes-Halbinsel oder in der nahe gelegenen isländischen Hauptstadt leben, aber auch für den Tourismus. „Basierend auf früherem eruptivem Verhalten wird sich dieses Muster wahrscheinlich auch in Zukunft fortsetzen und ein erhebliches Risiko für die lokale Bevölkerung und wichtige Infrastrukturen wie den Flughafen Keflavík, mehrere Geothermiekraftwerke, das bei Touristen beliebte Thermalbad Blue Lagoon und Städte wie Keflavík, Grindavík und den Großraum Reykjavik darstellen“, erklärt Troll.

Die Kraftwerke und der Flughafen zählen zur kritischen Infrastruktur Islands. In der betroffenen Region leben rund 70 Prozent aller Isländer. Sie ist zudem ein Wirtschaftsstandort und Besuchermagnet für Touristen aus aller Welt. Um die Gefahr durch künftige Ausbrüche zu reduzieren, müsse sich das Land entsprechend wappnen, so die Forschenden. „Unsere Ergebnisse liefern wertvolle Informationen für die Antizipation und das Management zukünftiger vulkanischer Aktivitäten auf der Halbinsel Reykjanes. Wir möchten die Notwendigkeit der Vorbereitung betonen“, sagt Koautorin Frances Deegan von der Universität Uppsala.

Künftig könnten demnach weitere Orte evakuiert oder auch dauerhaft verlassen werden müssen. Die Menschen müssten dann umgesiedelt werden. Für Geowissenschaftler ist die Serie indes ein „offenes Labor“, in dem die ungewöhnlichen Spalteneruptionen nun besser erforscht werden können. (Terra Nova, 2024; doi: 10.1111/TER.12733)

Quelle: Universität Uppsala, University of Oregon

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