Geowissen

Vulkan-Risiken 200 Jahre nach Tambora

Katastrophaler Ausbruch leitete 1815 das "Jahr ohne Sommer" ein

200 Jahre nach der Eruption: Die Caldera des Tambora hat einen Durchmesser von sechs bis sieben Kilometern und ist über einen Kilometer tief. © Jialiang Gao / (CC BY-SA 3.0)

Schnee im Hochsommer, Missernten im vulkanischen Winter: Vor genau 200 Jahren brach der indonesische Vulkan Tambora aus und veränderte weltweit das Klima – mit tödlichen Folgen. Der Jahrestag weckt Spekulationen: Welche Folgen hätte ein Vulkanausbruch wie die Tambora-Explosion heute? Um diese Frage genauer zu beantworten, wollen Vulkanforscher vergangene Ereignisse genauer katalogisieren, wie sie im Magazin „Nature Geoscience“ erläutern.

Dass ein Vulkanausbruch nicht nur die Menschen in seiner unmittelbaren Nähe betreffen kann, stellte der isländische Eyjafjallajökull im April 2010 eindrucksvoll unter Beweis: Er verbreitete so viel vulkanische Asche über Mitteleuropa, dass der Luftraum für Flugzeuge zu gefährlich war. Tausende Flüge fielen aus, der finanzielle Schaden ging in die Millionen. Verglichen mit dem Ausbruch des Tambora in Indonesien vor 200 Jahren ist das jedoch geradezu mickrig.

Vulkanischer Winter durch Schwefelgase

Der Tambora explodierte am 10. und 11. April 1815, vor genau 200 Jahren. Die Eruption auf der Insel Sumbawa, östlich von Java, tötete über 60.000 Menschen. Auf dem Vulkanexplosivitätsindex (VEI) liegt der Tambora-Ausbruch bei einer Stärke von 7 – die letzte Eruption mit einer solchen Gewalt liegt wahrscheinlich mehr als 25.000 Jahre zurück.

Die Folgen des Ausbruchs waren anschließend auf der ganzen Erde spürbar: In Mitteleuropa und Nordamerika fiel im Jahr 1816 der Sommer aus. Denn die vom Tambora in Unmengen ausgestoßenen Schwefelgase verteilten sich auch über die Nordhalbkugel, Schwefelpartikel reflektierten das einfallende Sonnenlicht. Die globale Durchschnittstemperatur fiel um rund ein Grad Celsius.

Größenvergleich des Tambora in Indonesien mit dem Vesuv bei Neapel (oben rechts). © Wikimedia Commons: Geoethno / GFDL

Nachtfrost im Juli

In Mitteleuropa gab es durch diesen vulkanischen Winter schwerste Unwetter und Überschwemmungen, In Nordamerika gab es stellenweise sogar Nachtfrost und Schnee in den Sommermonaten Juli und August. Auf Missernten folgten Hungersnöte, die in Europa geschätzte weitere 200.000 Tote forderten. Tausende Menschen versuchten der Not durch Emigration zu entfliehen, in einigen Regionen brachen Unruhen und Aufstände aus.

Welche Folgen ein so gewaltiger Vulkanausbruch heutzutage hätte, ist Gegenstand vieler Diskussionen. Es leben heute viel mehr Menschen auf der Erde, die Bevölkerungsdichte ist höher – daher könnten auch viel mehr Menschen von einem Ausbruch betroffen sein. „Eine Eruption dieser Größe hätte sicher weitreichende Effekte auf den Luftverkehr, wie auch auf die atmosphärische Zirkulation rund um den Globus“, meint der Vulkanforscher Stephen Self von der University of California in Berkeley, „daher wüssten wir natürlich gerne, wann der nächste große Ausbruch kommt.“

Spärliche Informationen aus früheren Ereignissen

Solche Vorhersagen stützen sich allein auf den Vergleich mit früheren Ereignissen. Die Aschewolke des Eyjafjallajökull etwa enthielt nicht so viel Schwefelgase und gelangte auch nicht hoch genug in die Atmosphäre, um weitreichend messbare Klimaveränderungen zu bewirken – dennoch fiel der wirtschaftliche Schaden enorm aus. Ein einzelner Vulkanausbruch machte schlagartig deutlich, wie wichtig und gleichzeitig verwundbar der Luftverkehr in unserer heutigen Gesellschaft ist.

Blick vom Rand in die Caldera des Tambora. © Katie Preece

Der Eyjafjallajökull erreichte 2010 jedoch gerade einmal die VEI-Stärke 4. Um vergleichbare oder sogar stärkere Ausbrüche als die Tambora-Explosion zu finden, muss man weit in die Vergangenheit gehen: Die letzte Eruption, der Forscher ebenfalls eine VEI Stärke von 7 zuordnen, war der Ausbruch des Neuseeländischen Taupo. Andere bekannte Katastrophen von globalem Ausmaß waren die Toba-Eruption vor über 70.000 Jahren und der letzte Ausbruch des Yellowstone-Supervulkans vor rund 640.000 Jahren.

Große Eruptionen fehlen in Aufzeichnungen

Weil diese gewaltigen Ausbrüche so weit in der Vergangenheit liegen, sind sie nur schwer zu untersuchen. Da sie so selten sind, existieren bislang auch nur wenige Daten darüber. Allerdings gab es dem Vulkanologen Self zufolge wesentlich mehr große Vulkanausbrüche, als wir bislang wissen: „Selbst in einem Land mit gut studierten Vulkanen, wie Japan, fehlen mindestens 40 Prozent der großen Eruptionen in den Aufzeichnungen.“ Self plädiert darum für einen systematischen Katalog vulkanischer Ereignisse, die sich aus Asche- und Schwefelablagerungen ableiten lassen: „Wir wissen, dass sich darin große Eruptionen verbergen, über die wir noch nichts wissen.“

Es sei daher höchste Zeit, alle verfügbaren Informationsquellen wie Eisbohrkerne, ozeanische Sedimente und vulkanische Gesteinsproben systematisch zu analysieren, „damit wir eine bessere Chance haben mögliche Gefahren in der Zukunft zu verstehen“, so Self. „Wir können einen Ausbruch nicht stoppen, aber wir können uns auf den unmittelbaren Einfluss der Asche auf den Flugverkehr und den verzögerten Effekt der Sulfatpartikel auf Ernten und Pflanzen vorbereiten.“ (Nature Geoscience, 2015; doi: 10.1038/ngeo2403)

(University of California – Berkeley, 10.04.2015 – AKR)

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