Gefahrenzonen: Forscher haben sieben Vulkangebiete identifiziert, deren Ausbruch eine globale Katastrophe auslösen könnte. Denn diese Vulkane liegen an Knotenpunkten der Kommunikation, der Wirtschaft oder des Ferntransports. Schon kleinere Eruptionen an diesen „Pulsadern“ könnten die Weltwirtschaft schwer beeinträchtigen und globale Folgen nach sich ziehen. Unter den Gefahrenzonen sind Taiwan, die Meeresstraßen von Luzon und Malakka, aber auch das Mittelmeer.
Wenn es um Vulkankatastrophen globalen Ausmaßes geht, gelten bisher vor allem Supervulkane als potenzielle Gefahr. Denn vergangene Eruptionen des Toba-Vulkans, der Yellowstone-Caldera oder auch der Flutbasalte in Indien, Sibirien oder Südafrika bezeugen die katastrophalen Folgen solcher Ausbrüche. Sie können das Klima zum Kippen bringen, Massenaussterben auslösen und ganze Landschaften für immer verändern.
Doch auch von kleineren Vulkanen droht Gefahr, wie nun Lara Mani von der University of Cambridge und ihr Team festgestellt haben. Wenn solche Feuerberge an wichtigen Schlagadern der Weltwirtschaft liegen, können auch sie eine globale Katastrophe auslösen. „Mäßige Ausbrüche, die wichtige internationale Kommunikationsverbindungen, Handelsnetzwerke oder Transportrouten außer Gefecht setzen, sind eine ebenso große, aber weit häufigere Bedrohung als Supervulkane“, erklärt Mani.
Sieben Hochrisiko-Zonen identifiziert
Wo auf der Welt solche vulkanischen Gefahrenpunkte liegen, haben die Forschenden jetzt ermittelt. Dafür untersuchten sie, wo aktive Vulkane oder Vulkanregionen mit besonders anfälliger und bedeutender Infrastruktur zusammentreffen. In Betracht zogen sie dabei sowohl Gefahren durch Asche, Lava und andere Auswürfe, als auch durch sekundäre Folgen wie submarine Rutschungen, Schlammlawinen oder Tsunamis.
Das Ergebnis: Weltweit sind sieben Zonen besondere Schwachstellen der Weltwirtschaft. Denn sie stellen wichtige Pulsadern des Handels oder der Kommunikation dar, würden aber schon durch mäßige Ausbrüche lahmgelegt. „Selbst ein kleiner Ausbruch in einem dieser Gebiete könnte Netzwerke unterbrechen, die für globalen Lieferketten und Finanzsysteme essenziell sind“, berichtet Mani. Vier dieser Gefahrenpunkte liegen in Südostasien, die restlichen drei auf der westlichen Nordhalbkugel.
Taiwan: Computerchip-Nachschub bedroht
Einer dieser Gefahrenpunkte ist die Tatun-Vulkangruppe im Norden Taiwans. Diese ruhenden, aber noch aktiven Feuerberge in unmittelbarer Nähe des Hafens von Taipeh und der zentralen Produktionsstätte des Halbleiterherstellers TSMC. „TSMC produziert 90 Prozent aller modernen Computerchips und ist der wichtigste Lieferant für die globale Technologie- und Auto-Industrie“, erklärt das Forschungsteam. Würden diese Fabriken und der Hafen durch eine Eruption lahmgelegt, hätte dies weltweite Folgen.
Verheerend für den Luftverkehr wäre dagegen ein Ausbruch des Changbaishan-Vulkankomplexes im Grenzgebiet von China und Nordkorea. „Die Eruptionswolke selbst eines kleineren Ausbruchs in diesem Gebiet könnte übe die koreanische Halbinsel bis nach Japan reichen und würde einige der am meisten beflogenen Luftverkehrsrouten der Welt blockieren“, berichten Mani und ihre Kollegen.
Malakka: Schlagader des Schiffsverkehrs
Eine weitere Gefahrenzone liegt an einer der wichtigsten Schlagadern der weltweiten Handelsnetze – der Meeresstraßen von Malakka. Rund 40 Prozent des globalen Schiffsverkehrs passiert diese Meerenge zwischen der Insel Sumatra und dem Stadtstaat Singapur. „Diese Region ist zudem einer der am stärksten frequentierten Lufträume der Welt“, so Mani und ihre Kollegen.
Wenn einer der hochaktiven Vulkane im nahen Indonesien einen größeren Ausbruch erlebte, hätte dies für den globalen Handel schwerwiegende Folgen. Würde sich beispielsweise am Hochrisikovulkan Merapi auf Java ein Ausbruch der Stärke 6 ereignen, würde allein die Unterbrechung des Luftverkehrs durch die Eruptionswolke das globale Bruttoninlandsprodukt um 2,5 Billionen US-Dollar senken, wie die Forschenden berichten. Eine Unterbrechung der Schifffahrtwürde diesen Verlust noch um einiges erhöhen.
Luzon: Datenknoten für halb Asien
Ebenfalls fatal wäre ein Ausbruch an der Meerenge zwischen Taiwan und der philippinischen Insel Luzon. Die Straße von Luzon ist eine Hauptschifffahrtsroute zwischen Ostasien und dem amerikanischen Kontinent, zudem ist sie ein Knotenpunkt der Datenkommunikation. An ihrem Grund verlaufen 17 Seekabel, die asiatische Wirtschaftszentren miteinander und der Welt verbinden. Unweit dieses Nadelöhrs liegt der Luzon-Vulkanbogen mit einem halben Dutzend aktiver Vulkane.
„Wenn hier ein Vulkanausbruch Untersee-Rutschungen, Aschenregen oder einen Tsunami verursacht, wurde dies die Datenleitungen in der Meerenge gefährden und könnte die Schiffsroute blockieren“, berichten die Forschenden. Als im Jahr 2006 ein Seebeben neun der Seekabel beschädigte, fielen in Japan, Taiwan, China und Hongkong weite Teile des Internets aus. „Diese Störungen hielten wochenlang an und für die Reparaturen waren elf Kabellegerschiffe 49 Tage im Einsatz“, so das Team.
Mittelmeer, Island und US-Westküste
Aber auch in unseren Gefilden gibt es Gefahrenpunkte. Einen davon bilden die Vulkane des Mittelmeers vom Vesuv über die Phlegräischen Felder bis hin zum Santorini-Vulkan. Wenn einer von ihnen einen Tsunami auslöst, könnte dies wichtige Häfen zerstören und globale Schiffsrouten wie den Suezkanal blockieren. „Wir haben gesehen, was schon eine sechstägige Schließung des Suezkanals anrichtet, als sich im März 2021 ein Containerschiff im Kanal querstellte und die Passage blockierte“, sagt Mani. „Jede Woche der Sperrung kostet den globalen Handel zehn Milliarden US-Dollar.“
Ebenfalls vor unserer Haustür liegt die Schwachstelle Island. Schon der Ausbruch des Eyjafjallajökull im April 2010 legte tagelang den Flugverkehr in halb Europa lahm, auch die Flüge nach Nordamerika waren betroffen. Ähnlich aschereiche Ausbrüche sind angesichts der zahlreichen aktiven Gletschervulkanen durchaus wahrscheinlich.
Sowohl den Luftverkehr als auch den Seetransport könnten dagegen Eruptionen der Cascades-Vulkankette im Nordwesten Nordamerikas treffen. „Ein Ausbruch des Mount Rainier der Stärke 6 mit Aschenwolken über dem Norden der USA und Teilen Kanadas würden Szenario-Simulationen zufolge das globale Bruttoinlandsprodukt über fünf Jahre hinweg um bis zu 7,6 Billionen US-Dollar mindern“, schreiben Mani und ihre Kollegen.
„Wir müssen vorbeugen“
Nach Ansicht des Forschungsteam illustrieren diese sieben Schwachpunkte, wie anfällig und kaum geschützt die weltweite Infrastruktur gegenüber selbst gemäßigten Vulkanausbrüchen ist. „Es ist Zeit, das Vulkanrisiko umzubewerten“, beton Mani. Die größte Gefahr seien nicht die kolossalen, weltzerstörenden Eruptionen der Hollywoodfilme, weil diese nur extrem selten vorkommen. Weit realistischer und kaum weniger verheerend sei die Bedrohung durch Eruptionen direkt an den Knotenpunkten der globalen Verbindungen.
„Anders als bei den Supervulkan-Eruptionen können wir diesen Katastrophen aber vorbeugen“, schreibt das Forschungsteam. „Wir können daran arbeiten, die Anfälligkeit unserer kritischen Systeme gegen solche Ereignisse zu verringern und so unsere Resilienz gegenüber diesen global wirkenden Katastrophen stärken.“ (Nature Communications, 2021; doi: 10.1038/s41467-021-25021-8)
Quelle: University of Cambridge