Erst Feuer, dann Eis: Gewaltige Vulkanausbrüche könnten unseren Planeten vor rund 717 Millionen Jahren in einen „Schneeball Erde“ verwandelt haben. Denn zu dieser Zeit gab es in der Franklin-Vulkanprovinz im Norden Kanadas langanhaltende Eruptionen, wie Forscher berichten. Diese schleuderten enorme Mengen Schwefelgase bis in die Stratosphäre und könnten so das Klima abrupt stark abgekühlt haben.
Vor rund 717 Millionen Jahren erlebte die Erde eine dramatische globale Kältephase, bei der Gletscher und Eis bis weit in die Tropen hinein vorrückten. Nur noch wenige Meeresgebiete könnten während dieser „Schneeball Erde“ -Phase eisfrei geblieben sein – und bewahrten so das Leben auf unserem Planeten vor dem Aus.
Was jedoch diese Schneeball-Phase einst auslöste, ist bis heute rätselhaft. Einige Forscher vermuten, dass einzellige Algen die Wolkenbildung und damit die Abkühlung mitbewirkten, andere sehen im Auseinanderbrechen des Urkontinents Rodinia die Ursache für den Kälteschock.
Vulkangebiet als „Täter“?
Eine weitere mögliche Ursache haben nun Francis Macdonald und Robin Wordsworth von der Harvard University in Cambridge vorgestellt. Ihre Theorie: Gewaltige Ausbrüche eines Vulkangebiets im Norden des heutigen Kanada könnte vor rund 717 Millionen Jahren so viel Schwefel-Aerosole in die Atmosphäre geschleudert haben, dass die Erde abrupt abkühlte.
Der „Täter“ in diesem Szenario ist die Franklin Large Igneous Province, ein Vulkangebiet, das sich über rund eine Million Quadratkilometer im Gebiet des heutigen Nordkanada, Alaska und Grönland erstreckte. Die meterdicken Basaltschichten zeugen davon, dass dort vor rund 720 Millionen Jahren gewaltige, anhaltende Eruptionen stattfanden.
Ausbrüche fast zeitgleich
„Wir wissen, dass vulkanische Aktivität einen großen Einfluss auf das Klima haben kann“, sagt Macdonald. „Die große Frage war, wie diese beiden Ereignisse – Vulkanausbrüche und Schneeball Erde – miteinander verknüpft sind.“ Um das herauszufinden, sammelten die Forscher Daten über die Franklin-Ausbrüche und deren Chemie und ermittelten mit Hilfe eines Modells, ob diese Eruptionen genügend Kühlwirkung gehabt haben könnten.
„Die Antwort ist: Ja – unter den richtigen Bedingungen“, sagt Wortsworth. Denn wie die Forscher erklären, setzt nicht jeder Vulkanausbruch genügend Aerosole frei, um einen vulkanischen Winter auszulösen. Doch im Falle der wahrscheinlich über Jahrzehnte andauernden Eruptionen in der Franklin-Vulkanprovinz trafen gleich mehrere Faktoren zusammen, die ihrer Ansicht nach den Beginn der Schneeball-Phase begünstigten.
Große Mengen Schwefelgase
Einer der Gründe dafür: Als die Vulkane der Franklin-Provinz ausbrachen, schmolz sich die Lava durch sehr schwefelhaltige Sedimente, wie die Forscher berichten. Als Folge wurden große Mengen Schwefel-Aerosole freigesetzt – ein effektives Kühlmittel für die Atmosphäre. Denn die winzigen Schwefeltröpfchen reflektieren das Sonnenlicht und bilden so einen kühlenden Schleier in der Atmosphäre.
Als der Ausbruch des Pinatubo im Jahr 1991 rund zehn Millionen Tonnen Schwefelgase in die Luft schleuderte, sank die globale Durchschnittstemperatur vorübergehend um fast 0,5 Grad Celsius ab. Bei den langanhaltenden Ausbrüchen der Franklin-Vulkanprovinz vor mehr als 700 Millionen Jahren könnte jedoch ein Vielfaches dieser Menge an Aerosolen in die Atmosphäre gelangt sein, wie die Forscher berichten.
Bis in die Stratosphäre
Ein zweiter Grund: Zum Zeitpunkt der Ausbrüche vor gut 717 Millionen Jahren war das Klima der Erde ohnehin schon eher kühl. Dadurch lag die Tropopause, die Grenze zur oberen Atmosphäre, niedriger als in tropisch-warmen Phasen. Das wiederum erleichterte es den Eruptionsgasen, in die Stratosphäre aufzusteigen, so die Wissenschaftler.
„Die größten Eruptionswolken könnten die Tropopause durchbrochen haben und Schwefel-Aerosole in der Stratosphäre produziert haben“, berichten die Forscher. Weil dort keine Niederschläge die Schwebteilchen vorzeitig auswaschen, kann sich der abkühlende Schleier in dieser Luftschicht besonders lange halten. „Dies hätte die Albedo der Erde genügend erhöht, um die Schneeball-Phase auszulösen.“
Ein kleiner „Schubs“ reicht
Und noch einen dritten Grund gibt es, wie Wordsworth und Macdonald berichten: Vor rund 700 Millionen Jahren lagen das heute Nordkanada und Grönland noch nahe am Äquator – und damit in dem Bereich, in dem Vulkanausbrüche den stärksten Kühleffekt bewirken können.
Hinzu kommt: „Die Abkühlung durch die Aerosole muss nicht den gesamten Planeten einfrieren, sie müssen nur eine Eisbildung bis in eine kritische Breite bewirken – das Eis macht dann den Rest“, erklärt Macdonald. Denn wenn die Eisbedeckung eine gewisse Fläche überschreitet, kommt es zu einer positiven Rückkopplung: Die hohe Albedo der hellen Eisflächen wirft zusätzlich Sonnenlicht ins All zurück und kühlt damit die Erde weiter ab.
Durchaus denkbar
„Es ist einfach zu glauben, dass ein so immenses System wie das irdische Klima nur sehr schwer zu verändern ist – und in mancher Hinsicht stimmt dies auch“, sagt Wordsworth. „Aber es hat in der Vergangenheit schon häufiger dramatische Wechsel gegeben und auch in der Zukunft ist ein so plötzlicher Klimawechsel durchaus möglich.“ Ob die Ausbrüche der Franklin Large Igneous Province tatsächlich der Auslöser für die „Schneeball Erde“-Phase waren, muss allerdings noch bewiesen werden.
Möglich wäre dieses Szenario aber durchaus, wie auch die Herausgeber des Fachjournals in einem Editorial meinen: „Die Idee, dass vulkanische Schwefel-Aerosole eine plötzliche Vereisung – ein Schneeball-Ereignis – auslösen können, präsentiert eine neue Sicht auf die Erdgeschichte und hat Bedeutung für das Paläoklima, Exoplaneten und das Geo-Engineering“, so der Kommentar. (Geophysical Research Letters, 2017; doi: 10.1002/2016GL072335)
(Harvard University, 14.03.2017 – NPO)