Naturkatastrophen

Vulkane: „Unmöglicher“ Ausbruch erklärt

Warum manche Tiefseevulkane riesige Aschewolken produzieren können

Havre-Vulkan
Topografisches Modell des Untersee-Vulkans Havre. Wie dieser trotz großer Wassertiefe große Mengen an Asche erzeugen konnte, haben Forscher nun aufgeklärt. © University of Tasmania/ WHOI

Gegen die Regel: Eigentlich dürften Tiefseevulkane keine Asche produzieren – der Wasserdruck ist zu groß. Warum ein Untersee-Vulkan im Pazifik trotzdem einen riesigen Aschenteppich hervorbrachte, haben nun Forscher aufgeklärt. Demnach kommt es bei Kontakt des Meerwassers mit Rissen in der heißen Lava zu einer explosiven Reaktion, die die Lava auseinander sprengt und zu winzigen Aschepartikeln zerreißt, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature Geoscience“ berichten.

Die meisten Ausbrüche von Untersee-Vulkanen verlaufen eher schleichend: Dünnflüssige Lava quillt aus dem Meeresgrund und erstarrt ohne große Explosionen. Oft zeugen nur leichte Erdbeben und einige Rauchwolken von dem Geschehen tief unter der Wasseroberfläche. Selbst die größte Untersee-Eruption der Gegenwart wurde dadurch erst im Nachhinein bemerkt.

Havre-Vulkan: Asche aus 1.000 Meter Tiefe

Doch es geht auch anders: Im Sommer 2012 brach der nordwestlich von Neuseeland liegende Tiefsee-Vulkan Havre aus und erzeugte innerhalb nur eines Tages einen 400 Quadratkilometer großen Teppich aus schwimmendem Bimsstein. Parallel dazu produzierte die Untersee-Eruption enorme Mengen an Vulkanasche, die sich in großem Umkreis auf dem Meeresgrund und im Wasser verteilte. Untersuchungen mit Tauchrobotern ergaben, das dieser Ausbruch mehr als 100 Millionen Kubikmeter Asche allein im näheren Umfeld abgelagert haben muss.

Das Merkwürdige jedoch: Der Untersee-Vulkan liegt in 900 bis 1.000 Meter Tiefe und damit in einer Zone, in der ein enormer Wasserdruck herrscht. Unter diesen Bedingungen dürfte nach gängiger Lehrmeinung eigentlich keine Asche entstehen. Denn typischerweise entsteht diese, wenn sich Vulkangase oder Wasserdampf in Poren und Rissen des Magma durch die Hitze und die Druckentlastung beim Aufstieg abrupt ausdehnen. Dies zerreißt das Magma und erzeugt die feinen Aschepartikel.

Tiefsee-Eruption im Labor

Am Havre-Vulkan jedoch ist der Wasserdruck so hoch, dass sich keine Dampfschicht auf oder in den Magmaporen und -rissen bilden kann. Das Meerwasser wird stattdessen direkt auf die austretende Lava gepresst und verhindert eine effektive Entgasung. „Weil die Bildung stabiler Dampfschichten an der Kontaktzone bei einem Druck von mehr als einem Megapascal und einer Tiefe von mehr als 100 Metern unterdrückt wird, galten explosive Untersee-Ausbrüche bislang als sehr unwahrscheinlich“, erklären Tobias Dürig von der Universität von Island und seine Kollegen.

Warum und wie ist dann am Havre-Vulkan trotzdem diese enorme Aschemenge entstanden? Um das herauszufinden, haben die Forscher sich den Vulkan sozusagen ins Labor geholt. Sie nutzten Material, das der Tauchroboter vom Meeresgrund heraufgeholt hatte, um die Eruption noch einmal nachzustellen. Dafür schmolzen sie das Material auf, setzten es unter Wasser und simulierten dann durch Druck von unten den Aufstieg von weiterem Magma aus dem Meeresgrund.

Magma zerreißt auch ohne Dampf

Es zeigte sich: Auch ohne Dampf und Gas kann es zu einer explosiven Reaktion von Magma und Wasser kommen. Dies geschieht, wenn sich – beispielsweise durch Abkühlung der Schmelze und Druck von unten kleine Risse an der Magmaoberfläche bilden. Innerhalb von Sekundenbruchteilen presst der hohe Wasserdruck dann Meerwasser in diese Ritzen und die Flüssigkeit dehnt sich dabei durch die Hitze explosionsartig aus.

Im Gegensatz zum klassischen Mechanismus bei Wasserdampf-Eruptionen läuft diese Explosion auch bei hohen Wasserdruck und ohne Wasserdampf-Film ab. Ausschlaggebend ist allein das Aufreißen des Magmas und der direkte Kontakt mit dem Wasser. „Dieser thermohydraulische Mechanismus wandelt Hitze in intensive mechanische Arbeit um“, erklären die Forscher. „Anders als bei normalen Wasserdampf-Eruptionen folgt auf diese hydraulische Phase aber keine dramatische Dampf-Expansion.“

Asche wie beim Havre-Ausbruch

Dennoch reicht die Wucht dieser ungewöhnlichen Explosionsform aus, um das Magma in winzige Stücke zu zerfetzen – es entstehen große Mengen Asche. „In unseren Experimenten erzeugten diese Prozesse Partikel mit dem charakteristischen morphologischen Fingerabdruck der Asche vom Havre-Vulkan“, berichten die Wissenschaftler. Ihrer Ansicht nach erklärt der von ihnen entdeckte Mechanismus damit sehr gut, wie der Tiefsee-Vulkan Havre so erstaunlich große Mengen an Asche erzeugen konnte.

Die Forscher vermuten, dass der von ihnen „induced fuel-coolant interaction“ (IFCI) getaufte Mechanismus auch an anderen Untersee-Vulkanen und sogar auf anderen Planeten vorkommen könnte. „Diese induzierten Interaktionen können unabhängig vom Druck in verschiedenen nassen Umgebungen stattfinden – von knapp unter der Bodenoberfläche bis in die Tiefsee“, erklären Dürig und sein Team. (Nature Geoscience, 2020; doi: 10.1038/s41561-020-0603-4)

Quelle: Nature Geoscience

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