Klima

Wärmeschub löste „Kleine Eiszeit“ aus

Warmwasser-Einstrom in den Nordatlantik bremste Umwälzpumpe und trieb Eisberge nach Süden

Winterszene
Diese um 1608 gemalte Winterszene entstand mitten in der "Kleinen Eiszeit", einer mehrere Jahrhunderte dauernden Periode ungewöhnlichen kühlen Klimas. Doch was löste sie aus? © Hendrick Avercamp/ historisch

Paradoxer Klimaeffekt: Die um 1400 begonnene „Kleine Eiszeit“ könnte durch einen ungewöhnlichen Wärmeschub im Nordatlantik ausgelöst worden sein, wie Klimaforscher herausgefunden haben. Der Warmwasser-Einstrom verursachte ein vermehrtes Kalben von Eisbergen und schwächte die nordatlantische Umwälzströmung. Innerhalb von nur 20 Jahren leitete dies die Abkühlung zur Kleinen Eiszeit ein, so die Wissenschaftler im Fachmagazin „Science Advances“.

Etwa um 1400 begann in Europa und Nordamerika eine ungewöhnlich kalte Klimaphase. Die Ostsee und viele Flüsse froren in dieser Zeit mehrfach zu, Alpengletscher rückten bis in die Täler vor und die Sommer blieben kühl und regenreich. Die Folge waren vielerorts Missernten, Hungernöte und Epidemien. Doch was diese Abkühlung ausgelöste, ist bisher strittig. Als Ursachen diskutiert werden die Sonnenaktivität, vermehrte Vulkanausbrüche, aber auch Meeresströmungen oder Vegetationsänderungen.

Kleine EIszeit
Die „Kleine Eiszeit“ war eine ungewöhnlich kühle Klimaperiode. © RCraig09/CC-by-sa 4.0

Spurensuche im Nordatlantik

Jetzt gibt es neue Hinweise auf die Ursachen der ungewöhnlichen Abkühlung vor gut 600 Jahren. Für ihre Studie sind Francois Lapointe und Raymond Bradley von der University of Massachusetts einigen Spuren nachgegangen, die auf folgenreiche Veränderungen im Nordatlantik und der Arktis hindeuteten. „Es gibt Indizien dafür, dass es in dieser Zeit einen verstärkten Transport von Meereis nach Süden gab, der dann zur Abkühlung des Nordatlantiks führte“, erklären sie.

Doch warum damals so viel Eisberge von den Gletschern und Meereisflächen kalbten und nach Süden trieben, blieb unklar. Deshalb haben Lapointe und Bradley anhand von Sedimentbohrkernen aus verschiedenen Gebieten des Nordatlantiks und Klimamodellierungen rekonstruiert, was vor diesem Eisschub passierte und welche Folgen er hatte.

Wärmeschub und starke Umwälzströmung

Die Auswertungen enthüllten: Vor der Kälte der Kleinen Eiszeit gab es eine Periode ungewöhnlicher Wärme im hohen Norden. Mikrofossilien in den Bohrkernen belegen, dass damals die Meerestemperaturen südlich und westlich von Grönland, aber auch rund um Spitzbergen deutlich anstiegen. Verursacht wurde dies durch einen ungewöhnlich starken Einstrom von warmem Wasser, der gegen 1380 seinen Höhepunkt erreichte. „Diesen Peak hatte bisher noch niemand erkannt“, sagt Lapointe.

Temperaturen 1380
Rekonstruktion der Temperaturen im Nordatlantik um 1380. Sterne markieren Probenstellen. © Lapointe, Bradley/ Science Advances, CC-by 4.0

Triebkraft dieses Wärme-Einstroms könnte eine Kombination von zwei Faktoren gewesen sein. Baumringdaten deuten darauf hin, dass es damals eine Phase erhöhter Sonnenaktivität gab, die die großräumigen Luftzirkulationen beeinflusste und vermehrt Hochdruckgebiete nach Grönland und in den hohen Norden leitete. Dazu kam eine besonders aktive Phase der Nordatlantischen Umwälzströmung (AMOC) – der „Pumpe“, die den Golfstrom und andere Meeresströmungen im Atlantik antreibt.

Wie die Forscher herausfanden, gab es zeitgleich mit der Erwärmung des Nordatlantiks eine Abkühlung entlang der US-Ostküste und im Südatlantik und vermehrt Regen in den Tropen. „Dies ist diagnostisch für einen verstärkten Einfluss der AMOC“, schreiben Lapointe und Bradley. Denn wenn die Umwälzströmung stärker wird, zieht sie vermehrt warmes Wasser aus den südlicheren Gefilden ab. Dieses staut sich dann im Nordatlantik und sorgt dort für einen Wärmeschub.

Extreme Eisbergschwemme

Doch diese Warmphase endete abrupt: Schon 20 Jahre später kam es zum Einbruch der Temperaturen im Nordatlantik und zu einer abrupten Abschwächung der Umwälzströmung, wie die Bohrkerndaten verrieten. Die Ursache dafür: Der vermehrte Einstrom warmen Wassers traf auf enorme Eismassen, die sich in den Jahrzehnten zuvor in der Arktis angesammelt hatten. Denn mehrere Vulkanausbrüche im 13. Jahrhundert hatten für vermehrten Schneefall und ein Wachstum der Gletscher und Meereseisflächen gesorgt.

Als Ende des 14. Jahrhunderts dann Massen warmen Wassers nach Norden strömten, löste dies das große Tauen aus. „Die Daten deuten auf ein extremes Kalbungsereignis um 1380 hin, das eines der extremsten der letzten Jahrtausende gewesen sein könnte“, berichten die Forscher. Als Folge drifteten Eisberge ungewöhnlich weit nach Süden und trugen dort zur Abkühlung des Klimas bei.

Parallel dazu führte der vermehrte Einstrom von Schmelzwasser dazu, dass der Antrieb der nordatlantischen Umwälzströmung nachließ. Ähnlich wie es heute durch den Klimawandel zu beobachten ist, sank dadurch weniger Oberflächenwasser in die Tiefe ab und die „Pumpe“ saugte weniger warmes Wasser aus dem Süden an. Dadurch schwächten sich auch die Meeresströmungen ab, die Wärme nach Europa und an die Ostküste Nordamerikas transportieren.

Erst zu warm, dann zu kalt

Nach Ansicht der Forscher war die Kleine Eiszeit damit letztlich eine Art Gegenreaktion auf eine unmittelbar davor liegende Wärmeanomalie. Paradoxerweise war es demnach erst der Wärmeeinstrom in den Norden, der wenig später das Klima kippen ließ. Als dann die Abkühlung erst einmal da war, sorgten zusätzliche Faktoren und Rückkopplungen dafür, dass es mehrere hundert Jahre lang kälter blieb.

„Vor allem eine Reihe größerer Vulkanausbrüche, die die Sonneneinstrahlung verringerten, trugen dazu bei, diese persistente Abkühlung aufrechtzuerhalten“, schreiben Lapointe und Bradley. (Science Advances, 2021; doi: 10.1126/sciadv.abi8230)

Quelle: University of Massachusetts Amherst

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