Geowissen

Wärmetransport im Atlantik lief auch in der Eiszeit auf Hochtouren

Stärkere Meeresströmung widerspricht bisherigen Annahmen

Diese Grafik zeigt die warmen (rot) und kalten Strömungen in den Weltmeeren; im Nordatlantik fließt warmes Oberflächenwasser nach Norden , sinkt dort ab und strömt als kaltes Tiefenwasser zurück nach Süden. © NASA / JPL

Die warmen Meeresströmungen des Atlantiks hörten auch in der Eiszeit nicht auf. Entgegen bisherigen Annahmen schwächte sich damals die für das Klima Europas so wichtige „Fernheizung“ nicht ab, sondern war sogar stärker als heute. Das hat ein internationales Forscherteam unter Leitung von Umweltphysikern der Universität Heidelberg herausgefunden. In Bohrproben des Meeresgrunds fanden sie Hinweise darauf, dass vor rund 20.000 Jahren mindestens genau so viel kaltes Tiefenwasser nach Süden strömte wie heute. Parallel dazu müsse auch genauso viel warmes Wasser aus den Tropen nach Norden geströmt sein. Die neue Erkenntnis sei wichtig, um bisherige Klimamodelle zu verbessern, berichten die Forscher im Fachmagazin „Nature Geoscience“. Denn nur wenn ein Modell die Wechselwirkungen von Ozean und Klima in der Vergangenheit korrekt abbilde, könne es auch die klimatische Zukunft richtig vorhersagen.

Die Meeresströmungen des Atlantiks gelten als ein wichtiger Klimafaktor vor allem für Europa: „Dank des Golfstroms und seiner nördlichen Ausläufer ist es hierzulande weit wärmer als auf denselben Breitengraden in Nordamerika“, erklärt Erstautor Jörg Lippold von der Universität Heidelberg. Die vom Ozean zu uns transportierte Wärme entspreche der Leistung von einer Million Großkraftwerken. „Ohne diesen Wärmetransport des Meeres würden in Nord- und Westeuropa deutlich kühlere Temperaturen herrschen“, sagt der Forscher.

Die auch als Fernheizung Europas bezeichneten warmen Meeresströmungen entspringen im Golf von Mexiko. Gelenkt durch Winde und die Erddrehung strömt das warme Wasser von dort aus nach Nord-Ost. Dabei kühlt das Oberflächenwasser ab, wird dadurch immer dichter und sinkt im Nordatlantik schließlich bis in 4.000 Meter Tiefe ab. Von dort aus fließt es als kaltes Tiefenwasser wieder zurück in den Süden. Diesen Rückfluss haben die Forscher anhand von Bohrkernen aus dem Meeresgrund nun erstmals quantitativ bestimmt, wie sie berichten.

Radioaktive Zerfallsprodukte als Strömungsmesser

Für ihre Studie hatten die Forscher das Verhältnis zweier radioaktiver Zerfallsprodukte – Protactinium-231 und Thorium-130 – in Sedimentproben aus dem Atlantik untersucht. Beide Isotope entstehen, wenn das im Meerwasser natürlich vorkommende Uran zerfällt. Während Thorium ohne Umwege ins Sediment am Meeresboden eingelagert wird, folgt das Protactinium der Zirkulation und wird mit der Strömung der Tiefsee aus dem Nordatlantik befördert. Das Mengenverhältnis der beiden Stoffe im Sediment spiegelt daher die Strömungsstärke wider.

In Bohrkernproben aus der Zeit vor rund 20.000 Jahren fanden die Forscher deutlich weniger Proactinium als erwartet. Zu dieser Zeit muss die Meeresströmung ihren Berechnungen nach daher mindestens genauso stark oder sogar stärker gewesen sein wie heute. Bisher hatte man angenommen, dass damals, auf dem Höhepunkt der letzten Eiszeit, die Zirkulation viel schwächer gewesen sein muss. Aus den Daten gehen aber auch hervor, dass der kalte Rückstrom aus dem Nordatlantik in den Süden damals weniger tief lag als heute: Statt in 4.000 Metern Tiefe floss damals das kalte Wasser nur in rund 2.000 Metern Tiefe zurück Richtung Tropen.

Diese neue Erkenntnis wirft auch ein neues Licht auf die Rolle des Meeres als Klimapuffer. „Im Meerwasser der Erde ist ungefähr 50 Mal mehr Kohlendioxid gebunden als in der Atmosphäre“, sagt Lippold. Zudem besitze der Ozean eine tausendfach größere Wärmespeicherkapazität als die Luft. Das Meer hat daher einen großen Einfluss auf die Temperaturen und Treibhausgas-Konzentrationen der Atmosphäre. „Wenn der Ozean damals schneller zirkulierte, konnte er auch mehr CO2 aufnehmen und der Atmosphäre entziehen“, sagt der Forscher. Dies müsse man in Zukunft berücksichtigen, wenn man das Klima der Vergangenheit modelliere – und auch, wenn man Prognosen für das Klima der Zukunft mache. (doi:10.1038/ngeo1608)

(Nature Geoscience, 16.10.2012 – NPO)

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