Doppelte Klimawirkung: Die zunehmenden Brände in der arktischen Taiga und Tundra schaden auch der Ozonschicht und tragen zum arktischen Ozonabbau bei, wie Messungen nahelegen. Demnach kann der Rauch solcher Brände bis an die Grenze der Stratosphäre aufsteigen. Im Winter 2019/2020 stieg die Aerosoldichte in dieser Höhe durch sibirische Waldbrände um das Zehnfache an. Die Schwebteilchen wiederum können ozonabbauende Reaktionen in der Ozonschicht fördern.
Lange Zeit gab es nur über dem Südpol ein echtes Ozonloch. Doch in den letzten Jahren kommt es auch über der Arktis immer häufiger zu einem starken Schwund des stratosphärischen Ozons. 2011, 2016 und im Frühjahr 2020 sanken die Ozondichten so stark ab, dass über der Nordpolarregion ein Ozonloch auftat. Als Ursache gelten primär die durch den Klimawandel veränderten Luftströmungen in der Arktis, die den ringförmigen Polarwirbel stärken und die Stratosphäre extrem auskühlen lassen. Das wiederum begünstigt den Ozonabbau.
Laserblick in die arktische Atmosphäre
Doch es gibt offenbar noch einen zweiten Faktor, der den arktischen Ozonschwund vorantreibt: der Rauch der zunehmenden Taiga- und Tundrabrände in der Arktis. Durch die Erwärmung und die zurückgehende Niederschläge kommt es im Nordpolargebiet immer häufiger zu ausgedehnten und teilweise selbst den Winter überdauernden Bränden. Vor allem in Sibirien erreichen diese Feuer in den letzten Jahren immer wieder Rekordausmaße.
Welche Folgen dies für die arktische Ozonschicht hat, haben nun Kevin Ohneiser vom Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) und seine Kollegen herausgefunden. Im Rahmen der internationalen MOSAiC-Expedition hatten sie von September 2019 bis Mai 2020 regelmäßig die Atmosphärenzusammensetzung über der zentralen Arktis mittels LIDAR untersucht. Diese Lasermessung verrät unter anderem, wie viele Aerosole sich in der Luftsäule befinden. Ergänzt wurde dies durch Satellitendaten sowie LIDAR-Messungen auf Spitzbergen.
Um das Zehnfache erhöhte Aerosolwerte
Die Messungen enthüllten Überraschendes: „Vom ersten Tag der MOSAiC-Messungen Ende September 2019 an beobachteten wir eine auffällige Aerosolschicht mit einem breiten Maximum in etwa zehn Kilometer Höhe, direkt über der lokalen Tropopause“, berichtet Ronny Engelmann von TROPOS. Die Aerosolkonzentration in der unteren Stratosphäre war im gesamten Winterhalbjahr um das Zehnfache erhöht.
Aus den Daten ging hervor, das diese Schwebteilchen nicht, wie zunächst vermutet, von einem Vulkanausbruch stammten. Stattdessen zeigte der größte Teil dieser Aerosolschicht klare Signaturen von Waldbrandrauch, wie das Team berichtet. Eine Rückverfolgung mittels Analyse der Luftströmungen enthüllte die Quelle: Der Rauch stammte von den außergewöhnlich starken und lang anhaltenden Waldbränden, die im Sommer 2019 in Sibirien gewütet hatten. Die Feuersaison war eine der stärksten der letzten 20 Jahre.
Neuartiger „Fahrstuhl-Effekt“
Ungewöhnlich ist jedoch, dass der Brandrauch überhaupt in so große Höhen aufsteigen konnte. Bisher ist dies nur aus wärmeren Regionen bekannt, wie Ohneiser und seine Kollegen erklären. Dabei können die Brände die Luft so stark erhitzen, dass der Rauch in sogenannten Feuerwolken bis in die Stratosphäre aufsteigt. Solche „Fahrstuhlwolken“ wurden auch 2019 bei den katastrophalen Bränden in Australien und 2020 im Westen der USA beobachtet.
Das Merkwürdige jedoch: Typischerweise sind die hochaufragenden Wolkentürme dieser Feuerwolken deutlich am Himmel zu erkennen. Zudem lösen sie meist Gewitter aus. Doch in Sibirien fehlte beides. Stattdessen könnte dort eine neue, wolkenfreie Form des Selbstauftriebs zum Tragen gekommen sein: „Wir vermuten, dass sich die dunklen, kohlenstoffhaltigen Rauchpartikel durch das Sonnenlicht so stark erwärmten, dass ihre Umgebungsluft langsam aufstieg“, erklärt Ohneiser. „Dies ist die einzige plausible Erklärung für einen effizienten vertikalen Transport über mehrere Kilometer.“
Zusammenhang mit Ozonschwund
Der Aufstieg des Rauchs bis an die Untergrenze der Stratosphäre hatte Folgen für die Ozonschicht: Dort, wo die Aerosolwerte erhöht waren, detektierten die Forschenden auch einen anomal starken Schwund des stratosphärischen Ozons. In Höhen zwischen 15 und 20 Kilometern bildete sich eine Schicht mit extrem geringen Ozondichten, aber auch auf Höhe der Aerosolschicht in zehn bis 15 Kilometer Höhe war das Ozon messbar ausgedünnt.
„Wir stellen einen klaren Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Waldbrandrauch im untersten Bereich der Stratosphäre und dem anomal starken Ozonabbau fest“, sagt Albert Ansmann vom TROPOS. Er und seine Kollegen vermuten, dass die Oberfläche der Rauchpartikel die ozonabbauenden Reaktionen begünstigt, ähnlich wie es bereits von vulkanischen Sulfat-Aerosolen bekannt ist.
Doppelter Effekt
Sollten sich dies bestätigen, dann könnte sich der Klimawandel auf zweifache Weise auf die arktische Ozonschicht auswirken: Zum einen fördert er den Ozonabbau durch die veränderten Luftströmungen im Nordpolargebiet. Zum anderen aber wirkt der Klimawandel indirekt, indem er die arktischen Wälder und Tundren austrocknen lässt und so Waldbrände fördert. Deren Rauch fördert dann ebenfalls den Abbau des arktischen Ozons.
„Damit wird die Debatte um de Folgen des Klimawandels um einen neuen und bisher noch nicht berücksichtigten Aspekt erweitert“, schließen Ohneiser und seine Kollegen. (Atmospheric Chemistry and Physics, 2022; doi: 10.5194/acp-21-15783-2021)
Quelle: Leibniz-Institut für Troposphärenforschung e. V.