Es geschieht nicht alle Tage, dass Wissenschaftler einen Satelliten mit eigenen Messgeräten ausstatten dürfen, um eine Erderkundungsmission aus dem All durchzuführen. Genau diese Möglichkeit bietet das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) für 2004. Es hat wissenschaftliche Einrichtungen aufgefordert, Missions-Vorschläge einzureichen.
Unter den neun Projekten, über deren Verwirklichung im Februar abgestimmt wird, ist auch der Vorschlag von Prof. Christiane Schmullius von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Die Expertin für Fernerkundung plant gemeinsam mit der NASA und Jena-Optronik, die Biomasse, sprich die Vegetation der Erde, zu erfassen. Die „Carbon-3D“-Mission würde damit wesentlich zum Verständnis des globalen Kohlenstoffkreislaufs und den damit verbundenen Klimaveränderungen beitragen.
Kollaps der Vegetation in 50 Jahren?
Legt man den heutigen Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) zugrunde, kollabiert in etwa 50 Jahren aufgrund der erwärmten Atmosphäre die Vegetation, so die Prognose der Klimaforscher. Pflanzen und Bäume spielen jedoch eine Schlüsselrolle im Kohlenstoffkreislauf. „Etwa 90 % des oberirdischen Kohlenstoffs der Erde sind in Bäumen gebunden“, erklärt Prof. Schmullius. Wird es den Bäumen zu heiß, können sie ihre Funktion als Verbraucher von CO2 und Lieferant von Sauerstoff nicht mehr wahrnehmen.
Das Problem ist erkannt, viele Staaten haben sich mit der Unterzeichnung des Kyoto-Protokolls zur Senkung der Treibhausgas-Emission verpflichtet. Länder mit hohem Waldbestand haben die Möglichkeit, mit den Emissionsrechten zu handeln. Doch bevor man Handel treibt, muss der Bestand bekannt sein. In der Rubrik „Waldflächen“ klaffen jedoch Lücken in den globalen Inventurlisten. „Die Kartierungen der russischen Baumbestände sind veraltet und es fehlen globale Flächeninformationen über die Kubikmeter Holz“, so die Geografin der Uni Jena. „Darüber gibt es nur Mutmaßungen.“ Die von ihr vorgeschlagene satellitengestützte Erderkundungsmission würde das Problem lösen.
Sonnensynchroner Satellit scannt Erdoberfläche
Dazu soll ein sonnensynchroner Satellit mit einem Lasersystem und einem optischen Sensor ausgestattet werden, die zeitgleich die Erdoberfläche scannen. Mit dem Laser wird die Höhe der Vegetation ermittelt. „Ist die Baumhöhe bekannt, können wir Rückschlüsse auf den im Stamm gebundenen Kohlenstoff ziehen“, erläutert Schmullius. Ein entsprechendes Lasersystem ist von der NASA entwickelt worden. Da die Jenaer Forscherin im Vorfeld die US-Raumfahrtbehörde als Partner gewinnen konnte, würde das so genannte „Vegetation Canopy Lidar“ bei der Mission zum Einsatz kommen. Das zweite Messgerät, der optische Scanner, soll die Erdoberfläche aus unterschiedlichen Blickwinkeln abtasten und die Ausdehnung der jeweiligen Vegetationsform, Wald, Büsche oder Grasland, ermitteln.
Die simultane Abtastung der Eroberfläche durch ein kombiniertes Optik-Laser-System auf demselben Satelliten ist eine Weltneuheit. „Sie erlaubt es uns, zeitnah die Größe von gerodeten oder abgebrannten Waldflächen zu bestimmen“, zeigt Schmullius den entscheidenden Vorteil auf. „Arbeitet man mit verschiedenen Satelliten kommt es vor, dass zum Zeitpunkt der zweiten Messung das entsprechende Waldgebiet schon gar nicht mehr existiert“, illustriert sie. Die CARBON-3D-Mission soll die Grundlagen liefern für neue Simulationsprogramme, mit denen Wissenschaftler globale Klimaveränderungen genauer voraussagen können.
(Informationsdienst Wissenschaft – idw – – Pressemitteilung Friedrich-Schiller-Universität Jena, 28.01.2004 – dlo)