Pluto ist zwar kein Planet mehr, aber der Zwergplanet gehört nach wie vor zu den rätselhaftesten Objekten in unserem Sonnensystem. Erst jetzt ist es Astronomen erstmals gelungen, einen Blick in die Eigenschaften seiner tieferen Atmosphärenschichten zu werfen. Dabei entdeckten sie nicht nur, dass diese ungewöhnlich warm ist, sondern auch, dass gasförmiges Methan dafür eine Schlüsselrolle spielt.
Der Kleinplanet Pluto ist gerade mal ein Fünftel so groß wie die Erde und 40-mal weiter von der Sonne entfernt als diese. Entsprechend ungemütlich kalt ist es auf seiner Oberfläche: minus 220°C. Trotzdem besitzt Pluto, das ist seit den 1980er Jahren bekannt, eine – wenn auch extrem dünne – Atmosphäre. Nur 0,015 Millibar und damit ein Hunderttausendstel des irdischen Luftdrucks übt das Gemisch aus vorwiegend Stickstoff mit Spuren von Methan und Kohlenmonoxid aus.
Rätsel der „warmen“ Atmosphäre
Bisher allerdings konnten Astronomen nur die oberen Bereiche der Plutoatmosphäre untersuchen, und auch dies nur indirekt, mithilfe der so genannten stellaren Okkultationen: Wenn ein Stern hinter dem Pluto vorbeizieht, steht er kurzzeitig hinter dem Atmosphärenring des Planeten. Das Sternenlicht wird durch die Atmosphäre verändert und dadurch lassen sich einige Eigenschaften der Gashülle ermitteln – aber eben nur die der oberen Schichten.
Die dabei gewonnenen Erkenntnisse gaben den Astronomen allerdings einige Rätsel auf. So war die Atmosphäre mit minus 170°C offenbar 50 Grad wärmer als die Planetenoberfläche. Aber wie sah es mit den tieferen Schichten aus? Waren auch sie „heißer”? Antworten auf diese Fragen lieferten erst jetzt neue Beobachtungen mit dem Very Large Telescope (VLT) der europäischen Südsternwarte ESO in Chile. Das Instrument „CRyogenic InfraRed Echelle Spectrograph” (CRIRES) enthüllte, dass die gesamte Plutoatmosphäre im Durchschnitt minus 180°C kalt ist und damit insgesamt viel wärmer als die Oberfläche.
Wärmeverteilung auf den Kopf gestellt
Damit findet sich auf Pluto eine Inversion des normalen Temperaturverlaufs der Gashülle: Auf der Erde beispielsweise nimmt die Lufttemperatur rund sechs Grad pro Höhenkilometer ab, auf dem Pluto dagegen steigt sie zwischen drei und 15 Grad pro Kilometer. Die Kälte der Oberfläche hängt wahrscheinlich direkt mit der Atmosphäre zusammen: Ähnlich wie verdunstender Schweiß unsere Haut abkühlt, so kühlt auch die Sublimation von Eis zu Gas die Plutooberfläche.
Methan als Schlüsselfaktor
Warum aber ist die Atmosphäre so warm? Auch hier lieferte CRIRES eine Antwort: Die neuen Beobachtungsdaten zeigen erstmals, dass Methan die zweithäufigste Komponente im plutonischen Gasgemisch darstellt. Rund ein halbes Prozent – und damit viel mehr als bisher angenommen – macht sein Anteil aus. „Wir konnten belegen, dass diese Methananteile eine entscheidende Rolle im Aufheizungsprozess der Atmosphäre spielen und auch ihre erhöhte Temperatur erklären können“, sagt Emmanuel Lellouch, Planetenforscher am Observatoire de Paris und Hauptautor der Studie. „Mit so viel Methan in der Atmosphäre ist es kein Wunder, dass die Atmosphäre so warm ist.“ Methan gilt auf der Erde als extrem potentes Treibhausgas.
Flecken oder gleichmäßige Schicht?
Zurzeit kommen zwei unterschiedliche Modelle als Erklärung für den hohen Methangehalt und die relativ warme Atmosphäre in Frage: Die erste geht davon aus, dass die Plutooberfläche mit einer dünnen Methanschicht bedeckt ist, die die Sublimation von Stickstoffeis behindert. Das zweite Szenario geht von der Existenz von unregelmäßig verteilten Flächen mit reinem Methan auf der Oberfläche aus.
Hoffnung auf „New Horizons“
„Die Entscheidung, welche von beiden richtig ist, wird weitere Untersuchungen des Pluto erfordern, vor allem während er sich weiter von der Sonne weg bewegt“, so Lellouch. „Und natürlich wird uns auch die NASA-Raumsonde New Horizons mit mehr Informationen versorgen, wenn sie 2015 den Pluto erreicht.“ Der Pluto bewegt sich auf einer sehr exzentrischen und 148 Jahre dauernden Umlaufbahn. Im Moment noch relativ nah an der Sonne, führt sein Weg zurzeit allmählich von der Sonne weg. Dabei friert nach und nach immer mehr seiner atmosphärischen Gase aus und lagert sich am Untergrund als Eis ab. Vermutlich existiert die Atmosphäre daher nur in relativer Sonnennähe.
(European Southern Observatory – ESO, 03.03.2009 – NPO)