Anthropogeographie

Warum Chinas Großstädte absinken

Landsenkung in chinesischen Metropolen bedroht Millionen Menschen

Skyline von Shenzhen
Der Boden unter chinesischen Megastädten wie Shenzhen sinkt ab. Das hat Folgen für die Anwohner. © bingfengwu / GettyImages

Land unter: Die Landfläche von China senkt sich vielerorts ab, wie Satellitendaten zeigen. Davon betroffen sind fast die Hälfte aller Großstädte und etwa ein Drittel der städtischen Bevölkerung des Landes, wie ein Forschungsteam in „Science“ berichtet. In den kommenden Jahrzehnten werden dadurch etwa ein Viertel der chinesischen Küstengebiete unter dem Meeresspiegel liegen. Damit nimmt für Millionen Anwohner das Überschwemmungsrisiko zu. Doch was steckt hinter der Landsenkung und wie lässt sie sich verhindern?

China hat seine Städte in den vergangenen Jahrzehnten massiv ausgeweitet. Dabei wuchsen sie sowohl in die Höhe als auch in die Breite und verzeichneten einen Bevölkerungszuwachs. Nun könnte die rasante Verstädterung jedoch einen Dämpfer erhalten. Denn es mehren sich Hinweise, dass die Landfläche unter den chinesischen Städten absinkt, insbesondere unter Großstädten. Über das Ausmaß dieser Landsenkungen ist jedoch bislang nur wenig bekannt.

Ein Team um Zurui Ao von der South China Normal University in Foshan ist dem nun nachgegangen. Dafür werteten die Forschenden Messdaten eines Satelliten-Radars sowie GPS-Daten für 82 der größten Städte Chinas aus. Diese Metropolen sind wichtige Industriezentren und das Zuhause von insgesamt rund 700 Millionen Menschen. Die Daten haben die Landsenkungen zwischen 2015 und 2022 präzise dokumentiert, indem sie den Abstand des Satelliten zur Erdoberfläche millimetergenau wiedergeben.

Boden sinkt in vielen Städten rasant ab

Die Auswertungen ergaben, dass sich 45 Prozent der untersuchten städtischen Flächen ziemlich schnell absenken – um mehr als drei Millimeter pro Jahr. Etwa 16 Prozent der Städte sinken sogar jährlich um zehn Millimeter oder mehr. In diesen Gebieten leben 270 Millionen beziehungsweise 70 Millionen Menschen – 29 Prozent beziehungsweise sieben Prozent der chinesischen städtischen Bevölkerung, wie das Team berichtet. Zu den sinkenden Hotspots zählen die Metropolen Peking und Tianjin. Auch Chinas größte Stadt Shanghai ist im letzten Jahrhundert bereits um drei Meter gesunken.

Doch wie kommt es zu diesen Landsenkungen? Ao und seine Kollegen führen diese überwiegend auf menschliche Aktivitäten zurück, da ihr Ausmaß deutlich größer ist als bei natürlichen Bodensenkungen durch geologische Aktivitäten. Dazu gehören beispielweise die Gebäude selbst, deren Gewicht die Landmassen nach unten drückt. Aber auch andere Faktoren wie die Entnahme von Grundwasser oder die Vibrationen des Verkehrs haben wahrscheinlich zum Absinken der Böden geführt.

Folgen für Städte und Bewohner

An sich wäre das Absinken nicht weiter dramatisch. Doch es gefährdet die Stabilität von Gebäuden und Infrastruktur. In Küstenregionen führt die Landsenkung zudem dazu, dass Städte wie Tianjin und Shanghai künftig unterhalb des Meeresspiegels liegen werden, wie Ao und seine Kollegen berechnet haben. Verstärkt wird dieser Effekt durch den prognostizierten klimabedingten weiteren Anstieg des Meeresspiegels.

Insgesamt liegen den Analysen zufolge künftig rund ein Viertel der Küstengebiete in China unterhalb des Meeresspiegels. Für die Anwohner der dortigen Städte steigt damit das Risiko von Überschwemmungen.

Wie können Überschwemmungen verhindert werden?

Um die Küstenstädte zu schützen, müssten daher Gegenmaßnahmen getroffen werden, die die weitere Landsenkung aufhalten, schreiben die Forschenden. Vorbild könnten hier die japanischen Städte Tokio und Osaka sein, die deutlich weniger oder gar nicht mehr absinken, seit dort kein Grundwasser mehr entnommen wird. „Eine große Herausforderung besteht darin, von der Messung der Bodensenkung zum systematischen Nachdenken über ihre Auswirkungen überzugehen“, schreiben Robert Nicholls von der University of East Anglia und Manoochehr Shirzael von der Virginia Tech in einem Kommentar zur Studie.

Gesucht werden Lösungen in der Stadtplanung gegen die Bodensenkung in China, die auch auf ähnlich sinkende Regionen in anderen Ländern übertragbar sind – etwa im Mekong-Delta oder an der Ostküste der USA. „Im Idealfall wird dies als Leitfaden für unmittelbare und langfristige strategische Maßnahmen dienen, analog zu den Strategien, die für Küstengebiete entwickelt wurden, die vom Anstieg des Meeresspiegels bedroht sind.“ (Science, 2024; doi: 10.1126/science.adl4366)

Quelle: American Association for the Advancement of Science (AAAS), University of East Anglia

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