Unerwarteter Schub: In den letzten Tagen haben gleich drei schwere Erdbeben den Westen Afghanistans getroffen, doch ihre Lage und Stärke kam selbst für Seismologen unerwartet. Denn die Herat-Verwerfung, an der das Epizentrum der Beben lag, gilt eigentlich als seismisch inaktiv: Schon seit mehr als tausend Jahren hat es hier kein größeres Erdbeben mehr gegeben. Warum es jetzt doch zum Bruch und abrupten Versatz an dieser Verwerfung kam, haben Forschende jetzt rekonstruiert.
Das Gebiet an der Grenze des indischen Subkontinents zu Asien ist seismologisch hochaktiv, denn hier rammt die nach Norden driftende Indische Erdplatte den Eurasischen Kontinent. Deshalb kommt es in einem breiten Streifen zwischen dem Iran und Afghanistan im Westen und Bangladesch, Nordindien und Südchina im Osten immer wieder zu schweren Erdbeben, wie im April 2015 in Nepal. Seismologen gehen davon aus, dass die 2.000 Kilometer lange Bruchzone noch immer unter hoher Spannung steht – das nächste Starkbeben ist nur eine Frage der Zeit.

Keine historischen Starkbeben im Westen Afghanistans
Doch die aktuelle Erdbebenserie in Afghanistan kam unerwartet. Denn die Epizentren der Erdbeben vom 7. und 11. Oktober 2023 lagen nicht in der tektonisch aktiven Region im Osten Afghanistans, sondern im Westen nahe der Stadt Herat. Dort lag der Auslöser der Erdstöße der Magnitude 6,2 und 6,3 in nur rund zehn Kilometer Tiefe am Herat-Verwerfungssystem – einem eigentlich als seismisch inaktiv geltenden Gebiet.
Dort, in den westlichen Ausläufern des Hindukusch, kommen normalerweise nur wenige kleinere Erdbeben der Magnitude 4 vor, die sich etwa alle zehn Jahre ereignen. Die aktuellen Starkbeben waren die ersten Beben einer Stärke von mehr als Magnitude 4,5, die in dieser Region im Nordwesten Afghanistans nahe der Grenze zu Iran seit Beginn der Messungen im Jahr 1900 aufgezeichnet wurden. Auch aus vergangenen Jahrhunderten gibt es keine historischen Belege für ähnlich verheerende Ereignisse in dieser Region, wie das Deutsche GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ) erklärt.