Klima

Bald mehr Hurrikans auch in Europa?

Hohe Intensität des Tropensturms und Jetstream-Kontakt ermöglichen Atlantikquerung

Sturmtief Ophelia
Der Hurrikan Ophelia drehte im Jahr 2017 kurz nach seiner Entstehung nach Nordwesten ab und zog dann als außertropischer Sturm über Irland hinweg – mit zerstörerischer Wirkung. © NOAA/NESDIS

Gefahr vom Atlantik: Mit fortschreitendem Klimawandel könnte Europa häufiger von ehemaligen Hurrikans heimgesucht werden – Wirbelstürmen, die den Atlantik überqueren und zu außertropischen Zyklonen werden. Der Grund: Die globale Erwärmung macht Hurrikans intensiver und lenkt sie weiter nach Norden. Dort können sie mit dem Jetstream interagieren und dadurch ein „zweites Leben“ als starkes Atlantik-Sturmtief erhalten, wie Forschende ermittelt haben.

Die meisten europäischen Sturmtiefs kommen vom Atlantik – sie werden von den vorherrschenden Westwinden und vom Jetstream zu uns transportiert. Während diese Stürme im Normalfall erst über dem Nordatlantik entstehen, gibt es auch einige, die schon ein Vorleben besaßen. Es handelt sich um ehemalige Hurrikans, die es aus dem äquatorialen Atlantik nach Norden verschlagen hat und die nach einer Umwandlung in einen extratropischen Sturm nach Nordwesten bis nach Europa weiterziehen.

Zugbahn Katia 2011
Zugbahn des Hurrikans Katia im Jahr 2011: Nach einer Tour durch die Karibik machte der Sturm kehrt und zog nach Nordwesten. Als außertropischer Sturm (Dreiecke) erreichte er dann Schottland. © Cyclonebiskit/ gemeinfrei

Von der Karibik bis nach Europa

Nur rund zehn Prozent der Hurrikans schaffen diesen Sprung über den Atlantik und erreichen Europa. “ Ex-Hurrikans sind in Europa zwar selten, können dann aber besonders zerstörerische und tödliche Ereignisse sein“, sagt Erstautor Elliott Sainsbury von der University of Reading. „Nach ihrem Wandel zu extratropischen Stürmen können sie extreme Winde, Regenfälle und Wellen selbst in weit von den Tropen entfernte Regionen bringen.“ Zu solchen ehemaligen Hurrikans mit schweren Folgen gehörten Debby im 1982, Katia im Jahr 2011 und Ophelia im Jahr 2017.

Doch was bestimmt, ob ein Hurrikan diesen Übergang in außertropische Gewässer übersteht und sogar zu neuer Stärke gelangen kann? Das haben Sainsbury und sein Team anhand der meteorologischen Daten zu 180 ehemaligen Hurrikans der letzten 40 Jahre untersucht. „Wir wollten wissen, ob es Unterschiede in den Zyklonen und ihrer Umgebung gibt, die darüber entscheiden, wer Europa erreicht und wer nicht“, erklären die Forschenden.

Stärkere Tropenstürme schaffen es häufiger

Tatsächlich zeigten sich mehrere Auffälligkeiten bei den atlantikquerenden Ex-Hurrikans. Die erste betrifft die Stärke des Ausgangssturms: „Europa-erreichende Stürme haben schon in ihrer Phase als Tropensturm substanziell höhere Intensitäten“, berichten Sainsbury und sein Team. Im Schnitt liegen die Windgeschwindigkeiten dieser Ex-Hurrikans vier bis sechs Meter pro Sekunde höher als bei den Tropenstürmen, die es nicht über den Atlantik schaffen.

Das könnte bedeuten, dass in Zukunft mehr Ex-Hurrikans den Weg zu uns einschlagen: Studien zeigen, dass wärmere Meere den Tropenstürmen mehr Energie verleihen. Angetrieben von Wärme und reichlich Wasserdampf nimmt die Intensität von Wirbelstürmen daher im Zuge des Klimawandels zu. „Weil stärkere Hurrikans mit dem Klimawandel häufiger werden, könnten wir demnach künftig auch mehr Ex-Hurrikans in Europa erleben“, sagt Sainsbury.

Neuer Schub durch den Jetstream

Doch die Intensität des Hurrikans ist nicht der einzige Faktor: Ob sie robust genug sind, um Europa zu erreichen, entscheidet auch ihr Timing. Wirbelstürme, die gegen Ende der Hurrikansaison entstehen, erreichen Europa demnach mit höherer Wahrscheinlichkeit als die schon zu Beginn des Sommers gebildeten Hurrikans. „Im Juni ist dies nur bei 15 Prozent der Ex-Hurrikans der Fall, im November dagegen bei 50 Prozent“, berichtet das Team.

Noch wichtiger ist jedoch ihre Zugbahn: Wenn die Tropenstürme in kühlere Gewässer gelangen, schwächen sie sich normalerweise schnell ab. Neuen Schwung können sie aber erhalten, wenn sie weit genug nach Norden wandern, um auf den Jetstream zu treffen. Der Kontakt mit dem von dieser Windautobahn erzeugten Luftdrucktrog verleiht den Stürmen neuen Energie. „Es ist an diesem Punkt, dass viele der Post-Tropenstürme auf Europakurs eine Reintensivierung erfahren“, erklären die Forschenden.

Als Folge der Reintensivierung nehmen die Ex-Hurrikans erneut an Ausdehnung zu und auch ihre Windgeschwindigkeiten steigen wieder an, wie die Analysen ergaben. Dies erhöht ihre Chance, den Atlantik trotz widriger Umstände zu überqueren und Europa zu erreichen.

Wird es mehr Ex-Hurrikans in Europa geben?

Allerdings: Auch der Jetstream und seine Lage werden vom Klimawandel beeinflusst. So sprechen einige Studien dafür, dass sich diese Windautobahn in Zukunft weiter polwärts verlagern könnte, andere prognostizieren stärker ausgeprägte Nord-Süd-Wellen dieses Windbands. Diese Verlagerungen des Jetstreams könnten daher ebenfalls beeinflussen, ob ein Ex-Hurrikan eine Reintensivierung erlebt oder nicht – und damit auch, ob er Europa erreicht.

„Wenn die Zunahme der Tropensturm-Intensität gegenüber der potenziellen Polwärts-Verschiebung des Jetstreams überwiegt, dann könnten künftig mehr ehemalige Tropenstürme Europa erreichen“, erklären Sainsbury. Entsprechend wichtig ist es, die Einflussfaktoren für solche „Überläufer“ noch genauer aufzuschlüsseln. (Monthly Weather Review, 2022; doi: 10.1175/MWR-D-22-0111.1)

Quelle: University of Reading

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