Extremwetter

Was passiert, wenn zwei Wirbelstürme kollidieren?

Verschmolzene Wirbelstürme haben extremere Folgen für Wasser- und Luftmassen

Satellitenbild der beiden Wirbelstürme Odette und Seroja im Indischen Ozean vor der Verschmelzung
Der tropische Wirbelsturm Odette traf am 9. April 2021 im Indischen Ozean zwischen Indonesien und Australien (gelbe Küstenlinien) auf den südlich gelegenen Wirbelsturm Seroja und verschmolz zwei Tage später mit ihm. © Jaxa P-Tree System

Gefährliche Mischung: Dass zwei Wirbelstürme zusammenstoßen, ist bislang ein seltenes Phänomen, könnte mit dem Klimawandel aber öfter auftreten. Was dabei passiert, haben Meeresforscher nun untersucht. Die beiden verschmolzenen Stürme änderten demnach abrupt ihre Richtung, drehten sich schneller und erzeugten stärkere Winde. Zugleich durchmischten sie den Ozean stärker als üblich und sorgten für eine ungewöhnlich starke Abkühlung der Wasseroberfläche. Solche Sturm-Fusionen können dadurch extreme Wetter- und Klimafolgen haben.

Tropische Wirbelstürme entstehen über warmen Meeresgebieten und können beim Landfall verheerende Verwüstungen und Überschwemmungen anrichten. Dass sich zwei solcher Stürme begegnen, ist jedoch sehr selten: Bislang kommt dies nur ein oder zweimal im Jahr vor. Weil mit der globalen Erwärmung tropische Wirbelstürme aber häufiger auftreten und intensiver werden, könnte es in Zukunft öfter zu solchen Zusammentreffen kommen.

Wirbelsturm-Fusion von Seroja und Odette

Bisher ist jedoch wenig bekannt, wie sich eine solche Sturmkollision auf die Strömungen in Luft und Meer auswirkt. Denn tropische Wirbelstürme wälzen sowohl Luftmassen in der Atmosphäre als auch das Wasser in den Meeresgebieten um, über die sie hinwegziehen. Aber wie verändert sich das, wenn zwei Stürme aufeinandertreffen oder gar verschmelzen?

Das haben nun Oliver Wurl und Jens Meyerjürgens von der Universität Oldenburg in einer Fallstudie näher untersucht. Die beiden Meeresforscher analysierten das Zusammentreffen der beiden vergleichsweise schwachen tropischen Wirbelstürme Seroja und Odette, die sich im April 2021 im Indischen Ozean nordwestlich von Australien begegneten. Dabei näherten sich die Stürme innerhalb von einer Woche langsam an und verschmolzen schließlich miteinander. „Seroja brachte den kleineren Wirbelsturm Odette erst zum Stillstand und vereinigte sich drei Tage später mit ihm“, berichtet Wurl.

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Richtungsänderung und schnellere Winde

Um herauszufinden, welche Auswirkungen dieses ungewöhnliche Ereignis auf Ozean und Atmosphäre hatte, werteten Wurl und Meyerjürgens Messdaten von Wetterstationen, Satelliten und autonomen Tiefseebojen aus. Letztere enthielten etwa Informationen über Salzgehalt und Temperatur des Ozeans bis in 2.000 Meter Tiefe. Diese Daten kombinierten die Forscher mit Modellrechnungen, woraus sie die Strömungsgeschwindigkeiten ableiteten.

Es zeigte sich: Der fusionierte Wirbelsturm änderte nach dem Zusammentreffen abrupt seine Richtung um 90 Grad. Zudem erhöhte er seine Windgeschwindigkeit auf etwa 130 Kilometer pro Stunde, was Stufe 1 und damit der niedrigsten Kategorie der Hurrikan-Skala entspricht. Einzeln hatten die beiden Stürme zuvor nur rund 80 Kilometern pro Stunde erreicht. Durch den kombinierten Impuls und die verstärkte Umwandlung von thermischer in mechanische Energie beschleunigten sich jedoch die Drehbewegung des Sturms und die von ihm verursachten Winde.

Abkühlung durch veränderte Tiefenströmung im Ozean

„Dies hat nicht nur das Wettergeschehen beeinflusst, sondern auch eine bislang unbekannte Wechselwirkung mit dem darunterliegenden Ozean ausgelöst“, berichtet Wurl. Bei der Wirbelsturm-Verschmelzung kühlte sich das Meerwasser gemessen an der Sturmstärke ungewöhnlich stark ab: Die Temperaturen an der Meeresoberfläche sanken innerhalb von 72 Stunden um rund drei Grad Celsius. Erst mehrere Wochen später hatte das Meer wieder dieselbe Temperatur wie vor dem Durchzug des Sturms.

Den Grund dafür: „Durch die Rotation der Wirbelstürme wird kaltes Wasser aus den Tiefen des Ozeans an die Oberfläche befördert“, erklärt Meyerjürgens. Bei der Fusion von Seroja und Odette wurde das Wasser sogar bis zu einer Tiefe von 200 Metern durchmischt. Dabei stieg das Tiefenwasser zeitweise mit bis zu 30 Metern pro Tag auf – typisch sind sonst nur Aufstiegsgeschwindigkeiten von ein bis fünf Metern pro Tag. Die in diesem Fall beobachteten starken Durchmischungs-Effekte treten sonst nur bei den deutlich stärkeren Hurrikans der höchsten Stufen 4 oder 5 auf, wie das Duo erklärt.

Wirbelstürme sind zusammen schlimmer als einzeln

Diese Beobachtungen legen nahe: Wenn zwei eher schwache Wirbelstürme aufeinandertreffen und verschmelzen, können sich ihre Auswirkungen auf Luft- und Wassermassen deutlich verstärken. Teilweise kann eine solche Sturmfusion dann sogar ähnlich verheerende Ausmaße erreichen wie ein weit stärkerer einzelner Hurrikan, schlussfolgern die Forscher. Wenn dann sogar zwei Wirbelstürme von Hurrikan-Stärke zusammenstoßen, sei mit noch stärkeren Effekten als bei Seroja und Odette zu rechnen, so das Team.

Da sich die Häufigkeit und Intensität tropischer Wirbelstürme im Zuge des Klimawandels erhöhen, könne es in Zukunft häufiger zu solchen Ereignissen und extremen Wechselwirkungen zwischen Ozean und Atmosphäre kommen. Dass sich die Richtung eines Sturms durch eine Fusion abrupt ändern kann, erschwert dabei zudem die Vorhersage der Sturmverläufe.

Folgen auch für das Klima

Neben lokalen Wettereffekten und Sturmschäden könnten solche Wirbelsturm-Fusionen aber auch das globale Klima beeinflussen: „Durch die Wechselwirkung eines Wirbelsturms mit dem Ozean und das Hochströmen von kaltem Tiefenwasser nimmt der Ozean zusätzliche Wärme aus der Luft auf und transportiert diese Energie anschließend in höhere Breitengrade – ein entscheidender Prozess, der das Klima weltweit beeinflusst“, erläutert Wurl.

Bei einer Forschungsexpedition im Mittelmeer und subtropischen Atlantik wollen die beiden Meeresforscher im kommenden Jahr diese Wechselwirkungen von Wirbelstürmen mit dem Klima und Wetter näher untersuchen. (Tellus A: Dynamic Meteorology and Oceanography, 2024; doi: 10.16993/tellusa.4083)

Quelle: Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg

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